FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Briefwechsel des Landesverband Niedersachsen mit dem Bundestagsabgeordneten Uhl wg. der geplanten Streichung des § 86.6. KJHG

 

Landesverband der Pflege- und Adoptiveltern in Niedersachsen e.V.

8.5.2004

An Herr
Hans-Jürgen Uhl
- Bundestagsabgeordneter -

Betr. Entwurf eines Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe – (Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG )
Artikel 1 – Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch –

 

Sehr geehrter Herr Hans-Jürgen Uhl,

Als Pflegefamilienvertretung in ihrem Wahlkreis möchten wir zum o.a. Referentenentwurf Stellung beziehen.

Wir begrüßen einige Veränderungsvorschläge des Entwurfs – z.B. § 39  Abs. 4: folgende Änderung:  „ Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt: Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für die Beiträge zu einer angemessenen Alterssicherung sowie zu einer Unfallversicherung“.

Diese Absicherung wird es den Jugendämtern sicherlich erleichtern, zukünftig weiterhin Pflegeeltern werben zu können.

Große Sorgen macht uns jedoch der geplante Wegfall des § 86.6.

§ 86.6 regelte bisher die Übernahme der Zuständigkeit für Kinder, die dauerhaft in Pflegefamilien leben. Dort ist vorgeschrieben, dass zwei Jahre nach Vermittlung der Kinder in die Pflegefamilie das örtliche Jugendamt der Pflegefamilie zuständig wird. Langzeitig untergebrachte Kinder und deren Pflegefamilien werden somit von dem örtlich nahen und bekannten Jugendamt beraten und betreut.

Bei Wegfall dieser Vorschrift würde die Zuständigkeit des Jugendamtes den normalen Vorschriften des § 86 entsprechen. Dies bedeutet überwiegend, dass das Jugendamt zuständig sein wird, in dem die leiblichen Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Wir befürchten sehr, dass nun für uns Pflegeeltern ein Chaos ausbricht. Sobald die Herkunftsfamilie unseres Pflegekindes an einen anderen Wohnort verzieht, wird diese Kommune auch zuständig für die Beratung und Betreuung des Pflegekindes und seiner Pflegefamilie.

Die Akten müssen von einem Jugendamt an das nächste übergeben werden, von dort aus muss dann gemäß § 36 SGB VIII unserem Anspruch auf Beratung und Unterstützung entsprochen werden.

Wir müssen vom neuen Jugendamt zu Hilfeplänen eingeladen werden, Fortbildungen bekommen etc. etc.

Wie soll das geschehen können, wenn die Eltern z.B. vom Ruhrgebiet nach Bayern verziehen?

Wie soll das geschehen können, wenn die Eltern immer wieder umziehen und immer wieder neue Jugendämter zuständig werden?

Die Pflegekinder, die wir aufnehmen, haben meist eine prägende Leidensgeschichte, bevor sie in unsere Familien kommen. Die meisten dieser Kinder haben Probleme mit Beziehungsaufbau. sozialer Kompetenz, Leistungsforderungen. Ein hoher Prozentsatz dieser Kinder ist traumatisiert.

Es ist unmöglich, diesen Kindern - durch den Umzug ihrer leiblichen Eltern bedingt- immer wieder neue zuständige Sozialarbeiter zuzumuten. Sehr schnell würden sie sich verschließen und die Zusammenarbeit ablehnen, vom Aufbau einer Vertrauensbasis zum zuständigen Sozialarbeiter ganz zu schweigen.

Wir bitten Sie dringend, die Verabschiedung der Gesetzesveränderung in dieser Form zu verhindern.

Hilfreich für die Pflegekinder und uns Pflegefamilien wäre es, wenn das Jugendamt, welches das Kind in unsere Familien vermittelt hat, dauerhaft zuständig bliebe.

Sollte der § 86.6 einfach nur so wegfallen, und die Pflegefamilien beständig neue Zuständigkeiten erleben müssen, können wir uns vorstellen, dass das Bemühen um neue Pflegeeltern einen herben Rückschlag bekommt. Ein solches Chaos holt sich keiner freiwillig ins Haus.

Gern stehen wir Ihnen zu Nachfragen zur Verfügung.

Wir danken Ihnen für Ihre Bemühungen.

 

Mit freundlichem Gruß

Jerzy Rutka

 

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Antwortschreiben:

 

Hans-Jürgen Uhl

21.5.2004

Sehr geehrter Herr Rutka,

vielen dank für Ihr Schreiben vom 8. Mai diesen Jahres zum Entwurf eines gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.

Momentan befindet sich das Gesetz im so genannten Stadium des Referentenentwurfs. Dieser wird im Ministerium erstellt, um dann im Bundeskabinett beraten zu werden. Erst danach wird der sogenannte Gesetzesentwurf erstellt, der den entsprechenden Ausschüssen des Deutschen Bundestages zur Beratung vorgelegt wird. Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion sind momentan also noch nicht mit der Angelegenheit befasst. Aus diesem Grund habe ich mich direkt an meine Kollegin, Christel Riemann-Hanewinckel, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gewandt. Ich habe sie gebeten, Ihre Einwände im weiteren Verfahren zu berücksichtigen. Das Schreiben finden Sie im Anhang zu Ihrer Kenntnis.

Zusätzlich habe ich vorab die Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der SPD-Bundestagsfraktion informiert, damit diese schon vor Beginn der Beratungen in den Diskussionsprozess einbezogen wird.

Ich hoffe, wir können gemeinsam eine Lösung im Sinne der Adoptiveltern in Deutschland erreichen. Sobald mir eine Antwort des Ministeriums vorliegt, werde ich Sie darüber informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

 

Hans-Jürgen Uhl, MdB

 

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Anlage

 

Sehr geehrte Frau Riemann-Hanewinckel, liebe Christel,

Herr Jerzy Rutka aus meinem Wahlkreis, der dem Vorstand des Landesverbandes der Pflege- und Adoptiveltern in Niedersachsen angehört, hat sich bezüglich des Referentenentwurfs eines Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe an mich gewandt.

Grundsätzlich begrüßt Herr Rutka die Änderungen. Sorge bereitet den Pflegeeltern allerdings der geplante Wegfall des Paragrafen 86 Abs. 6. Der Verband befürchtet, dass durch die Streichung des genannten Paragrafen ein häufigerer Wechsel bei den Zuständigkeiten der Jugendämter entsteht. Details können Sie dem Schreiben von Herrn Rutka entnehmen, das ich Ihnen im Anhang zu ihrer weiteren Verwendung übermittle.

Ich möchte Sie bitten, die Kritik des Landesverbandes der Pflege- und Adoptiveltern in Niedersachsen in die weiteren Beratungen zum Referentenentwurf einzubeziehen. Außerdem würde ich es begrüßen, wenn der Landesverband der Pflege- und Adoptiveltern im weiteren Beratungsprozess die Möglichkeit erhalten würde, seine Vorbehalte persönlich einzubringen.

Für Ihre stets gute Unterstützung möchte ich Ihnen schon jetzt danken und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Dein

Hans-Jürgen Uhl, MdB

 

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