FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Stellungnahme
der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V.

 

„Für den Erhalt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes
für die Sozialhilfe und die Kinder- und Jugendhilfe“

 

Mit Sorge verfolgen die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeitenden Spitzenverbände die aktuelle Debatte, im Rahmen der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eine Kompetenzverschiebung im Bereich der Daseinsvorsorge zu Lasten des Bundes auf die Landesebene vorzunehmen. Bislang wird die Debatte zu Kompetenzverschiebungen vorrangig von fiskalischen Interessen bestimmt; Fragen der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, der Regionalisierung und des fachlichen Wettbewerbs um bessere Lösungen werden nicht gestellt. Vor diesem Hintergrund wenden wir uns dagegen, die bewährten Zuständigkeiten des Bundes für die Sozialhilfe und die Kinder- und Jugendhilfe auf die Länder zu verlagern.

Für das unterste soziale Netz (Sozialhilfe, Grundsicherung, Leistungen an Asylbewerber) sind nach Auffassung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege einheitliche Regelungen durch Bundesgesetz zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zwingend erforderlich. Das Sozialhilferecht ist eine Rechtsmaterie, die sich über viele Jahrzehnte entwickelt hat und eng mit anderen Bereichen verwoben ist; so ist die Sozialhilfe Referenzsystem für viele andere Leistungen. Eine Kompetenzübertragung auf die Länder würde die jetzt schon bestehenden regionalen Disparitäten verschärfen, unerwünschte Wanderungsbewegungen auslösen und massive Abstimmungsprobleme erwarten lassen.

Zudem ist es nicht überzeugend, wenn die Länder von der Bundesregierung ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Armut und Ausgliederung fordern (BR-Drs. 456/1/04), gleichzeitig indes ein wesentliches Instrument dazu, nämlich die Sozialhilfe, der Gestaltung durch die Bundesregierung entziehen wollen.

Gleiches gilt für den Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Es stellt keine kohärente Länderposition dar, wenn auf der einen Seite ein Bundesleistungsgesetz eingefordert und damit eine einheitliche Regelung durch den Bund befürwortet wird, und gleichzeitig die Zuständigkeit für diese Regelungsmaterie reklamiert wird. Unabhängig davon ist aus der Sicht der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege die Zuständigkeit des Bundes für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen beizubehalten.

Die Eingliederungshilfe ist im Rahmen des SGB IX im Bereich der medizinischen und beruflichen Rehabilitation bedürftigkeitsunabhängig und auf einheitliche Kriterien mit anderen Rehabilitationsbereichen gestellt worden. Eine Kompetenzverlagerung auf die Länder würde eine zielorientierte Rehabilitation gefährden.

Das Kinder- und Jugendhilferecht des Bundes weist Rahmencharakter auf und eröffnet den Ländern und Kommunen weite Gestaltungsräume. Mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) von 1990 wurde das Jugendwohlfahrtsgesetz zu einem national und international beachteten Instrument einer modernen Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickelt, das sich nach parteiübergreifender Einschätzung der Fachleute bewährt hat. Forderungen nach einer Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder widersprechen nach Auffassung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege den Interessen von Kindern, Jugendlichen und deren Familien sowie den Bedürfnissen der Fachlichkeit in der Jugendhilfe. Bundeseinheitlich garantierte Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe vermeiden durch die Wahrung von Mindeststandards einen Wettbewerb zulasten der finanzschwächeren Länder, vor allen Dingen zulasten der dort lebenden jungen Menschen und ihren Familien. Sie tragen zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes bei, das aufgrund des demographischen Wandels soziale Leistungen und Präventionsangebote zur Integration junger Menschen und zur Herstellung von Chancengerechtigkeit dringend braucht.

Sämtliche gesetzgeberische Initiativen der Länder zur Änderung des SGB VIII der vergangenen zwei Jahre intendierten in erster Linie Leistungskürzungen. Aus kinder- und jugendpolitischer Sicht ist es deshalb nicht verantwortbar, die Zuständigkeit für Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe auf die Länder zu übertragen. Das defizitäre Angebot der Tagesbetreuung in den westlichen Ländern, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, unterstreicht die Notwendigkeit einer Bundeszuständigkeit. Hinzu kommt, dass die Länder schon bisher die ihnen bereits eingeräumten Befugnisse für eigene Regelungen nicht genutzt haben.

Auch die auf EU-Ebene verabredeten Vorschläge „Für gemeinsame Zielsetzungen im Bereich der Partizipation und Information der Jugendlichen“ legen nahe, die Jugendpolitik in Deutschland bundeseinheitlich zu gestalten. Gleichwertige Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Europa sind eher durch nationale Regelungen als durch Länderhoheit zu erreichen. Die Verabredung gemeinsamer Zielsetzungen auf EU-Ebene würde erschwert, sollte Deutschland die dazu notwendigen bundeseinheitlichen Regelungskompetenzen dezentralisieren.

Verabschiedet vom BAGFW-Vorstand am 07.09.2004.

 

 

 

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