FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2005

 

Änderungsvorschläge zum Referentenentwurf
eines Gesetzes zur Reform
Des Verfahrens in Familiensachen
und
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

von Paula Zwernemann

 

Die Verbände sind aufgefordert, zu dem 527 Seiten umfassenden Referentenentwurf bis Oktober 2005 eine Stellungnahme abzugeben. Die Kinderschutzkonferenz könnte nach meiner Ansicht ebenfalls zum Schutz der Kinder, insbesondere der Pflegekinder, ihre Meinung zur Geltung bringen.

Ich werde versuchen, das, was ich bei der Durchsicht des Referentenentwurfs für gut und was ich für dringend verbesserungsfähig einschätze, deutlich zu machen.

1. § 165 FGG Beschleunigungsgebot, § 171 FGG Hinwirken auf Einvernehmen
Es ist zu begrüßen, dass die Terminierung für die gerichtliche Anhörung spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll (§ !65 (2) FGG) und die Fristsetzung bei dem Sachverständigengutachten  in § 171 FGG festgelegt werden soll.

§ 165 (4) bestimmt wie folgt: Das Gericht soll in diesem Termin und in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken.

Grundsätzlich ist das Hinwirken auf Einvernehmen positiv zu bewerten, wenn dabei das Kind im Mittelpunkt des Interesses steht. Die Gefahr besteht darin, dass Pflegeeltern bei Umgangs- und Sorgerechtsregelungen nicht Beteiligte sind und oft unter Druck gesetzt werden,  einen Kompromiss auf Kosten des Kindes einzugehen.

Wenn keine Einigkeit über den Lebensmittelpunkt des Kindes erzielt werden kann, sind nach meiner Erfahrung Besuche gegen das Kindeswohl, es sei denn, es sind gemeinsame Unternehmungen zwischen Pflegefamilie und Herkunftsfamilie möglich. Diese Gemeinsamkeit und die Möglichkeit, bei den Pflegeeltern Rückhalt zu haben, stellt ein entscheidender Schutzfaktor für das Kind dar.

Die Gleichstellung von Scheidungskindern und Pflegekindern ist nicht möglich, weil Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie nur gewährt wird, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung notwendig ist (§ 27 SGB XIII). Der Druck auf Eltern, die getrennt leben, zu einer Einheitlichkeit in Erziehungsfragen zu kommen, mag gerechtfertigt sein, solange das Kindesinteresse und der Kindeswillen beachtet wird. Bei Pflegekindern, die vernachlässigt, misshandelt oder verlassen und abgelehnt wurden, können nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie bei einem Kind, das bei einem Elternteil lebt und mit dem anderen Elternteil positive Gefühle verbindet. Der Gesetzesentwurf geht  davon aus, dass Besuchskontakte generell dem Kindeswohl dienen. Gerade hier zeigt sich, dass es nötig ist, einen  eigenen Paragrafen für Pflegekinder in das Gesetz einzufügen.

2. Verfahrensbeistand § 166 FGG, jetzt § 50 FGG
Es ist zu begrüßen, dass aus der Kannvorschrift zur Hinzuziehung des Verfahrensbeistandes eine Mussvorschrift werden soll. Der Katalog, in denen der Verfahrensbeistand hinzuzuziehen ist umfasst auch die Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB und den Ausschluss des Umgangs mit den leiblichen Eltern.

Was fehlt ist die Qualifikation, die ein Verfahrenspfleger mitzubringen hat. Ich halte den Zusatz, dass der Verfahrenspfleger über sozialpädagogische, psychologische und rechtliche Grundkenntnisse verfügen muss und eine Zusatzausbildung vorweisen soll, für erforderlich.

3. Kostenentscheidung § 83 FGG
Ich  halte es für erforderlich , dass Pflegeeltern, die einen Antrag nach § 1632 Abs. 4 stellen, nicht Kostenschuldner werden können, weil sie nicht im eigenen Interesse, sondern zum Schutz des Kindeswohles den Antrag stellen.

4. § 8 FGG Beteiligter und § 7 FGG Akteneinsicht
Der Referentenentwurf sagt Folgendes:

(1) In Antragsverfahren ist der Antragssteller Beteiligter

(2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen

  1. diejenigen, deren Rechte durch den Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen wird.
  2. diejenigen, die aufgrund Gesetzes zu beteiligen sind

( 3). Als Beteiligte können von Amts wegen hinzugezogen werden

  1. diejenigen, deren Rechte durch den Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen werden kann
  2. diejenigen, die aufgrund Gesetzes beteiligt werden können

Auf Antrag sind hinzuziehen:

(4) Diejenigen, die nach Abs. 3 als Beteiligte zu dem Verfahren hinzugezogen werden können, sind von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, soweit sie dem Gericht bekannt sind.

(5) Wer anzuhören ist oder eine Auskunft zu erteilen hat, ohne dass die  Voraussetzungen des Abs. 2 oder  3 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter
(6) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn  es einen Antrag auf Hinzuziehung nicht entspricht.

Wenn ein Kind längere Zeit in Familienpflege ist, sind die Pflegeeltern weiterhin anzuhören. Sie sind vom Ausgang eines Verfahrens, wenn es sich z.B. um das Umgangsrecht handelt, unmittelbar betroffen. Ich zweifle jedoch daran, dass diese Einschätzung aus dem Gesetzestext herausgelesen wird. Wenn Pflegeeltern als Erbringer einer Dienstleistung für das Jugendamt und für die Herkunftseltern vom Jugendhilfeträger gesehen werden, ist es zweifelhaft, ob sie als unmittelbar Betroffene anerkannt werden.

Ich halte deshalb eine Ergänzung des § 8 für erforderlich, aus dem hervorgeht, dass Pflegeeltern Beteiligte sind, weil sie vom Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen sind.

Für die Akteneinsicht ist es wichtig, Beteiligter zu sein. Pflegeeltern wird dies meist nur in Verfahren nach 1632 Abs. 2 zugestanden. Wenn es um Einsicht in Sachverständigen -gutachten und Jugendamtsberichte bei Umgangsregelungen geht, wird Akteneinsicht oft mit dem Hinweis, nicht Verfahrensbeteiligter zu sein, verweigert.

5. § 174 Abänderung und Überprüfung von Entscheidungen
In § 173 Abs. 3 steht:
Länger dauernde Maßnahmen nach den § 1666 bis 1667 des BGB hat das Gericht in angemessenen Zeiträumen zu überprüfen.

Ich halte hier eine Ergänzung für erforderlich, die die kindlichen Bindungen und den kindlichen Zeitbegriff berücksichtigt, sowie die Notwendigkeit der Kontinuität in der Erziehung mit einem gesicherten Lebensmittelpunkt des Kindes.

6. Unmittelbarer Zwang zum Zwecke des Umgangs jetzt  § 33 (2) FGG, Referentenentwurf § 104 (2)
In § 33 (2) FGG steht: Eine Gewaltanwendung gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden,  wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben.

Es ist zu begrüßen, dass im Referentenentwurf in § 104 (2) FGG diese Bestimmung übernommen wird.

Grundsätzlich geht der Referentenentwurf davon aus, dass Besuchskontakte immer dem Wohl des Kindes entsprechen und die Erwachsenen sich zu einigen haben. Auf diesem Umweg werden jetzt schon Pflegeeltern gezwungen, das Kind seelisch zu überwältigen und trotz existentieller Ängste des Kindes dieses zu Besuchskontakten zu zwingen. Die bei Pflegekinder – und auch hier wird nicht zwischen Scheidungskindern und Pflegekindern unterschieden- nur in Ausnahmefällen zutreffende Vermutung, dass das Kind von den Pflegeeltern beeinflusst wird und deshalb die Besuche ablehnt, wird unterstellt.

Die „Milderen Mittel“  sind in den §§ 99, 102 und 103 des Referentenentwurfs beschrieben. Diese Mittel sollen gegen den Elternteil- und somit auch gegen Pflegeeltern angewandt werden, wenn die Besuchskontakte nicht umgesetzt werden (können).

In § 1o2 wird zu den Ordnungsmittel folgendes ausgesagt

(1) Bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs soll das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, soll das Gericht Ordnungshaft anordnen.

(2) Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Für den Vollzug der Haft gelten die §§ 901 Satz 2, 904 bis 906,909,910,913 der ZPO entsprechend.

(3) Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Werden Gründe, aus denen sich das fehlende Vertretenmüssen ergibt, nachträglich vorgetragen, wird die Festsetzung aufgehoben..

Kommentiert wird Abs. 3 Satz 1 wie folgt: Beruft sich etwa ein Elternteil nach erfolgter Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein Fehlen des Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im einzelnen darlegt, was und wie er auf das Kind eingewirkt hat und alles in seiner Macht stehende getan hat,  um das Kind zum Umgang zu bewegen.

Es ist vorauszusehen, dass der Druck auf Pflegeeltern erheblich erhöht wird, das Kind zu Besuchen zu zwingen, die zwar nach ihrem Erleben mit dem Kind vor und nach den Besuchen eindeutig eine Kindeswohlgefährdung darstellen.

Wenn Pflegeeltern alles, was in ihrer Macht steht, dem Kind gegenüber einbringen, wenn dieses unter Trennungsangst leidet, weil es spürt, dass sein Verbleib in der Pflegefamilie in Frage gestellt ist und dies bei Besuchen sogar gesagt bekommt, fühlt sich das Kind auch von den Pflegeeltern verlassen und fühlt sich schutzlos ausgeliefert. Dieses Gefühl, auch von den Pflegeeltern überwältigt zu werden, kann eine fortdauernde Traumatisierung für das Kind bedeuten.

Wie bringt der Gesetzgeber die Aussage in § 1631 BGB, wo körperliche und seelische Gewalt gegen ein Kind ausdrücklich als unzulässig erklärt wird, mit der Haltung, die im Referentenentwurf eingenommen wird, in Einklang? Die gängige Praxis, dass kleine Kinder, solange sie sich nicht wehren können, auch körperlich zu Besuchskontakten  gezwungen werden, gilt es zu hinterfragen

Fazit:
Ich halte folgende Forderungen an den Referentenentwurf für notwendig.

  1. Der Zwang zur Einigung unter den beteiligten Erwachsenen hat sich dem      Kindesinteresse unterzuordnen.
  2. Die Pflegeeltern sind in § 8 FGG ausdrücklich als Beteiligte zu nennen.
  3. Die Pflegeeltern werden in gerichtlichen Verfahren im Interesse ihres Pflegekindes nicht Kostenschuldner und dies wird in § 83 FGG ausdrücklich festgestellt.
  4. Jedes Kind hat ein Recht auf Sicherheit und Kontinuität in der Erziehung.      Die  Abänderung und Überprüfungspflicht in „angemessenen Zeiträumen“     widerspricht den in §§ 33 und 37 SGB VIII genannten Bedingungen für eine     auf Dauer angelegte Lebensperspektive.
  5. Die fachliche Qualifikation von Verfahrenspfleger sollte in § 166 FGG beschrieben werden
  6. Auch bei kleinen Kindern, die sich gegen Besuche zur Wehr setzen, darf kein  Zwang gegen das Kind ausgeübt werden.

12. September 2005

 

 

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