Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport z.Hd. Herrn Senator Klaus Böger Beuthstr.6-8
10117 Berlin
10.11.2003
AV-Pflege v. 07.10.2003
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Entwurf zur Refom des Pflegekinderwesens folgt m.E. nur finanziellen Zwängen und orientiert sich in keinster Weise am Kindeswohl.
Abgesehen davon, dass Pflegekinder Pflegeeltern und keine Erziehungspersonen benötigen, gibt es nicht das Pflegekind. Alle fremdplazierten Kinder haben bekanntlich ihre – von Gewalt und Vernachlässigung geprägten – Vorgeschichten und Anspruch auf spezielle individuelle Hilfe in einer sie stabilisierenden Lebensform.
Hierauf nimmt das vorliegende Konzept keine Rücksicht. So wird eine pauschale Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern gefordert, ohne zu beachten, was dies u.U. für ein, eben durch diese Eltern traumatisiertes Kind, bedeutet. Der Aufbau neuer tragfähiger Bindungen zu Ersatzeltern wird behindert, wenn nicht gar gefährdet, da diese Kinder z.B. durch Besuchskontakte der Gefahr von Retraumatisierungen und Ängsten vor einer möglichen Rückführung in die Herkunfsfamilie, ausgesetzt sind.
Die für viele Kinder erforderlichen Therapien würden von Anfang an unmöglich, wenn nicht zum Scheitern verurteilt sein. Insoweit fehlt eine dringend erforderliche Differenzierung bei der Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern. Die in Ihrem Konzept pauschal geforderte Zusammenarbeit mit Herkunftseltern, die oftmals „Täter“ sind, wird den Bedürfnissen der betroffenen Kinder keinesfalls gerecht.
Zudem wird in dem Konzept von Kindern mit Förderbedarf - einem typisch pädagogischen Begriff - gesprochen, was einer Verleugnung dessen nahe kommt, was diesen Kindern widerfahren ist.
Die psychologischen und medizinischen Aspekte, die bei der Integration von traumatisierten Kindern in Pflegefamilien zu beachten sind, werden in der Vorlage nicht berücksichtigt.
Es wäre daher interessant zu erfahren, inwieweit Fachleute im Bereich des Pflegekinderwesens, freie Träger der Jugendhilfe und Pflegeelternverbände bei der Erstellung dieses Konzeptes beteiligt waren.
Vor diesem Hintergrund bitte ich darum, diese Vorlage nicht zu verabschieden, sondern von Fachleuten auf dem Gebiet der Trauma- und Bindungsforschung überarbeiten zu lassen.
Abschließend halte ich es für sehr bedenklich, wenn sich „Erziehungspersonen“ durch Verträge binden sollen, die es ihnen im Endeffekt unmöglich machen, sich in Krisen für die ihnen anvertrauten Kinder zu deren Wohl einzusetzen, insbesondere in Gerichtsverfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Schreiber Vorsitzender von KidMs (Kinder in den Mittelpunkt stellen) Adoptiv- und Pflegefamilienkreis e.V.
|