An den Vorsitzenden des Unterausschusses des LJHA - Herr Koschek -
An die Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses über die Geschäftsstelle - Anke Hollmann -
Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und teilstationäre Familienpflege
Sehr geehrte Damen und Herren,
Seit 27 Jahren lebe und arbeite ich als heilpädagogische Pflegemutter. Die Möglichkeit Integration von Anfang an zu leben, in einer normalen Familie mit sozialen Netzen und Gefügen, gibt (oder muss ich sagen gab) mir große Zufriedenheit.
Das allerdings ist nicht der Grund, um für den Bestand der heilpädagogischen Pflegefamilie zu kämpfen.
Ich habe meine ältesten Kinder (vor 27 Jahren), schwerst hospitalisiert, aus einer psychiatrischen Kinderklinik in Hessen aufgenommen (ich war in dieser Klinik als Krankenschwester beschäftigt). In Berlin fand ich dann dieses in jeder Hinsicht vernünftige Konzept der Heilpädagogischen Pflegefamilie. Hier hatte sich das umgesetzt, was wir als Pflegende in der Klinik uns wünschten. Normalität und dauerhafte, feste Beziehungen für unsere Kinder.
Zwischen uns und unseren heute 35 und38 jährigen Töchtern ist über die vielen Jahre eine stabile Familienverbundenheit entstanden. Für beide Töchter sind wir bis heute die erste und einzige Familie in ihrem Leben. Sie leben heute in Wohneinrichtungen für Behinderte. Mit dem Familienverbund im Rücken tun sie dieses heute mit der ihnen möglichen Selbständigkeit und Zufriedenheit. Sie stehen auch nach Beendigung des Pflegevertrages nicht alleine da.
Zwei unserer Kinder sind sehr früh, ein weiteres mit 15 Jahren verstorben. Vor allem unseren 15 jährigen durften wir über 1 Jahr in häuslicher Pflege begleiten.
Drei Kinder leben noch in unserer Familie. Da alle Kinder behindert sind, brauchen sie auch vielseitige Hilfen.
Ich hoffe sehr, Sie sehen, dass ich weiß, wovon ich spreche.
Ein aufgenommenes behindertes Kind bleibt in der Regel das Kind dieser Familie auch über den Punkt der Verselbständigung, dem Ende des Pflegevertrages und des Todes hinaus.
Was bedeutet das für den Staat?
Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Menschen gibt, der es kann, aber es wäre bestimmt interessant auszurechnen, wie viel Geld wir dem Staat haben sparen helfen. Wir, die Familie Haase und die vielen anderen Familien in Berlin. Warum wollen Sie auf diese Sparhilfe in Zukunft verzichten?
Unser Motto war bisher: „Ich kann 24 Stunden für meine Kinder da sein, ich kann sie lieben, fördern, begleiten und pflegen. Gleichzeitig kann ich nicht für den finanziellen Unterhalt arbeiten.“
Die bisher geleisteten Erziehungsgelder haben mich nicht reich gemacht, aber sie haben für eine finanzielle Sicherheit gesorgt, die wir dringend brauchen. Wenn diese Gelder nun nicht mehr, und im Bestandsschutz nicht mehr verlässlich gezahlt werden, kommen viele Familien in finanzielle Schwierigkeiten. Einige Mütter werden zumindest Teilzeitjobs suchen. Das kann nicht Ziel von öffentlicher Erziehung im privaten Haushalt sein. Neue, kompetente Pflegeeltern werden nicht mehr angeworben werden können .
Neben den großen Anforderungen des Alltags müssen wir in Zukunft mit diesen Schwierigkeiten leben, und werden das auch, aber was ist in Zukunft?
Warum wollen Sie diese in Berlin erfolgreich arbeitende Einrichtung „HEILPÄDAGOGISCHE PFLEGESTELLE“ abschaffen?
Dass Sie mit Ihren neuen Ausführungsvorschriften dieses tun, haben Ihnen schon zahlreiche Fachleute geschrieben. Den Kommentaren und Kritiken dieser Fachleute möchte ich nichts hinzufügen.
Ich bitte Sie, lesen Sie alle diese Stellungnahmen, machen Sie sich ein eigenes Bild, bevor Sie über eine so weitreichende Vorschrift entscheiden. Sprechen Sie mit uns und unseren Kindern.
Gerne laden wir Sie in unsere Familie ein.
Mit freundlichen Grüssen
Margret Haase Krankenschwester
Herms Haase Sozialpädagoge
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Sehr geehrte Frau Haase und sehr geehrter Herr Haase,
Der Unterausschusses Erzieherische Hilfen des LJHA hat die Aufgabe das Verwaltungshandeln soweit zu begleiten, dass es den fachlichen, den finanziellen und den rechtlichen Anforderungen entspricht. Bei den Verwaltungsvorschriften des Landes Berlin besteht hier ein besonderer Umstand, den ich kurz erläutern möchte:
Ausführungsvorschriften des Landes Berlin binden nur das Land und nicht die Freien Träger. Sie dienen dazu, die Verwaltung in die Lage zu versetzen, Verwaltungshandeln zu ermöglichen und dafür einen Rahmen vorzugeben. Um Ausführungsvorschriften in Kraft zu setzen, braucht weder der Landesjugendhilfeausschuss noch sein Unterausschüsse eingeschaltet werden. Der Unterausschuss Erzieherische Hilfen hat lediglich die Funktion eine Stellungnahme für den Landesjugendhilfeausschuss abzufassen, die den o. g. Grundsätzen entspricht. Wie Sie sicher schon wissen, haben wir uns dieser Aufgabe gestellt und werden für unsere nächste Sitzung im Januar einen Entwurf im Ausschuß vorlegen. Wird diesem Entwurf von den Mitgliedern des Unterausschusses zugestimmt, geht er in den Landesjugendhilfeausschuss und soll dort, wenn alles klappt, am 15.01.04 vorgelegt werden.
Nun zu Ihren Darstellungen:
Ihre Ängste und Befürchtungen können wir sehr gut verstehen und werden diese mit in die Beratungen einbeziehen. Alles das was Sie darstellen bezieht sich auf bestimmte Bedarfe von jungen Menschen, die aber auch nach der neuen AV die notwendige Hilfestellung und Unterstützung erhalten werden. Im Vordergrund allen Interesses muss stehen, dass die Pflegekinder entsprechend ihren individuellen Bedarfen ihre Unterstützungsleistungen erhalten. Ändern sich diese Bedarfe, muss sich auch das Hilfsangebot und die Intensität der Hilfe ändern. Dies sieht auch das infrage kommende Bundesgesetz, das KJHG, vor und ist daher auch so anzuwenden. Abschließend kann ich Sie nur noch darauf hinweisen, dass Ihnen selbstverständlich die politische Einflußnahme auf die AV möglich ist. Der Unterausschuss und seine Mitglieder werden in diesem Prozeß lediglich angehört und geben eine Stellungnahme ab. Für die politische Umsetzung ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport und damit auch der Senator Böger zuständig. Möchten Sie mehr Einfluß auf die Umsetzung haben, sollten Sie sich direkt an die Senatsverwaltung wenden und auch die politischen Parteien bzw. Ihre Fraktionen und den Jugendausschuss des Abgeordnetenhauses nicht vergessen.
Wir hoffen, Ihnen mit unseren Ausführungen gedient zu haben und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Konrad Koschek Referat Jugendhilfe
Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin Brandenburgische Straße 80, 10713 Berlin
Tel.: (030) 860 01 - 167 Fax.: (030) 860 01 - 220 Funk: 0177 - 864 49 45 e-mail: koschek@paritaet-berlin.de
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