FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Briefwechsel zwischen Pflegeeltern und Landesjugendhilfeausschuss

 

Vorbemerkung: Die Pflegeeltern Margret und Herms Haase hatten sich mit ihren Sorgen an den Berliner Landesjugendhilfeausschuß gewandt und erhielten nun eine Antwort, die als formal korrekt bezeichnet werden kann. Aber wenn es stimmt, daß Ausführungsvorschriften dafür da sind, nur einen „Rahmen vorzugeben“, um „Verwaltungshandeln zu ermöglichen“, warum enthalten dann die geplanten Pflegekindervorschriften so viele Bestimmungen, die in die einzelfallorientierten Hilfeplangespräche gehören? Und wird der LJHA wenigstens dagegen votieren??

Ferner ignoriert die Antwort das besondere Kontinuitätsgebot der Dauerpflege: „Ändern sich die Bedarfe, muß sich auch das Hilfsangebot und die Intensität der Hilfe ändern.“ Im noch geltenden Gesetz steht es ganz anders:
„Ist eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden.“ (§ 37 Abs.1 KJHG).
Dauerhaft bindungsgestörte Kinder brauchen eben dauerhafte Bindungsangebote unabhängig vom Auf und Ab ihrer wechselhaften Affekte und Symptome !

Richtig ist die Empfehlung, auch die politisch Verantwortlichen anzusprechen. Was aber dabei herauskommt, kann z.B. bei der Antwort des Regierenden Bürgermeisters auf die Anfrage der Pflegeeltern Andrees besichtigt werden.
Kurt Eberhard (Jan. 2004)

 

An den Vorsitzenden des Unterausschusses
des LJHA
- Herr Koschek -

An die
Mitglieder des
Landesjugendhilfeausschusses
über die Geschäftsstelle
- Anke Hollmann -

Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und teilstationäre Familienpflege

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit 27 Jahren lebe und arbeite ich als heilpädagogische Pflegemutter. Die Möglichkeit Integration von Anfang an zu leben, in einer normalen Familie mit sozialen Netzen und Gefügen, gibt (oder muss ich sagen gab) mir große Zufriedenheit.

Das allerdings ist nicht der Grund, um für den Bestand der heilpädagogischen Pflegefamilie zu kämpfen.

Ich habe meine ältesten Kinder (vor 27 Jahren), schwerst hospitalisiert, aus einer psychiatrischen Kinderklinik in Hessen aufgenommen (ich war in dieser Klinik als Krankenschwester beschäftigt). In Berlin fand ich dann dieses in jeder Hinsicht vernünftige Konzept der Heilpädagogischen Pflegefamilie. Hier hatte sich das umgesetzt, was wir als Pflegende in der Klinik uns wünschten. Normalität und dauerhafte, feste Beziehungen für unsere Kinder.

Zwischen uns und unseren heute 35 und38 jährigen Töchtern ist über die vielen Jahre eine stabile Familienverbundenheit entstanden. Für beide Töchter sind wir bis heute die erste und einzige Familie in ihrem Leben. Sie leben heute in Wohneinrichtungen für Behinderte. Mit dem Familienverbund im Rücken tun sie dieses heute mit der ihnen möglichen Selbständigkeit und Zufriedenheit. Sie stehen auch nach Beendigung des Pflegevertrages nicht alleine da.

Zwei unserer Kinder sind sehr früh, ein weiteres mit 15 Jahren verstorben. Vor allem unseren 15 jährigen durften wir über 1 Jahr in häuslicher Pflege begleiten.

Drei Kinder leben noch in unserer Familie. Da alle Kinder behindert sind, brauchen sie auch vielseitige Hilfen.

Ich hoffe sehr, Sie sehen, dass ich weiß, wovon ich spreche.

Ein aufgenommenes behindertes Kind bleibt in der Regel das Kind dieser Familie auch über den Punkt der Verselbständigung, dem Ende des Pflegevertrages und des Todes hinaus.

Was bedeutet das für den Staat?

Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Menschen gibt, der es kann, aber es wäre bestimmt interessant auszurechnen, wie viel Geld wir dem Staat haben sparen helfen. Wir, die Familie Haase und die vielen anderen Familien in Berlin. Warum wollen Sie auf diese Sparhilfe in Zukunft verzichten?

Unser Motto war bisher: „Ich kann 24 Stunden für meine Kinder da sein, ich kann sie lieben, fördern, begleiten und pflegen. Gleichzeitig kann ich nicht für den finanziellen Unterhalt arbeiten.“

Die bisher geleisteten Erziehungsgelder haben mich nicht reich gemacht, aber sie haben für eine finanzielle Sicherheit gesorgt, die wir dringend brauchen. Wenn diese Gelder nun nicht mehr, und im Bestandsschutz nicht mehr verlässlich gezahlt werden, kommen viele Familien in finanzielle Schwierigkeiten. Einige Mütter werden zumindest Teilzeitjobs suchen. Das kann nicht Ziel von öffentlicher Erziehung im privaten Haushalt sein. Neue, kompetente Pflegeeltern werden nicht mehr angeworben werden können .

Neben den großen Anforderungen des Alltags müssen wir in Zukunft mit diesen Schwierigkeiten leben, und werden das auch, aber was ist in Zukunft?

Warum wollen Sie diese in Berlin erfolgreich arbeitende Einrichtung „HEILPÄDAGOGISCHE PFLEGESTELLE“ abschaffen?

Dass Sie mit Ihren neuen Ausführungsvorschriften dieses tun, haben Ihnen schon zahlreiche Fachleute geschrieben. Den Kommentaren und Kritiken dieser Fachleute möchte ich nichts hinzufügen.

Ich bitte Sie, lesen Sie alle diese Stellungnahmen, machen Sie sich ein eigenes Bild, bevor Sie über eine so weitreichende Vorschrift entscheiden. Sprechen Sie mit uns und unseren Kindern.

Gerne laden wir Sie in unsere Familie ein.

Mit freundlichen Grüssen

Margret Haase
Krankenschwester

Herms Haase
Sozialpädagoge

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Sehr geehrte Frau Haase und sehr geehrter Herr Haase,

Der Unterausschusses Erzieherische Hilfen des LJHA hat die Aufgabe das
Verwaltungshandeln soweit zu begleiten, dass es den fachlichen, den
finanziellen und den rechtlichen Anforderungen entspricht. Bei den
Verwaltungsvorschriften des Landes Berlin besteht hier ein besonderer
Umstand, den ich kurz erläutern möchte:

Ausführungsvorschriften des Landes Berlin binden nur das Land und nicht die
Freien Träger. Sie dienen dazu, die Verwaltung in die Lage zu versetzen,
Verwaltungshandeln zu ermöglichen und dafür einen Rahmen vorzugeben. Um
Ausführungsvorschriften in Kraft zu setzen, braucht weder der
Landesjugendhilfeausschuss noch sein Unterausschüsse eingeschaltet werden.
Der Unterausschuss Erzieherische Hilfen hat lediglich die Funktion eine
Stellungnahme für den Landesjugendhilfeausschuss abzufassen, die den o. g.
Grundsätzen entspricht. Wie Sie sicher schon wissen, haben wir uns dieser
Aufgabe gestellt und werden für unsere nächste Sitzung im Januar einen
Entwurf im Ausschuß vorlegen. Wird diesem Entwurf von den Mitgliedern des
Unterausschusses zugestimmt, geht er in den Landesjugendhilfeausschuss und
soll dort, wenn alles klappt, am 15.01.04 vorgelegt werden.

Nun zu Ihren Darstellungen:

Ihre Ängste und Befürchtungen können wir sehr gut verstehen und werden
diese mit in die Beratungen einbeziehen.
Alles das was Sie darstellen bezieht sich auf bestimmte Bedarfe von jungen
Menschen, die aber auch nach der neuen AV die notwendige Hilfestellung und
Unterstützung erhalten werden.
Im Vordergrund allen Interesses muss stehen, dass die Pflegekinder
entsprechend ihren individuellen Bedarfen ihre Unterstützungsleistungen
erhalten. Ändern sich diese Bedarfe, muss sich auch das Hilfsangebot und
die Intensität der Hilfe ändern. Dies sieht auch das infrage kommende
Bundesgesetz, das KJHG, vor und ist daher auch so anzuwenden. Abschließend
kann ich Sie nur noch darauf hinweisen, dass Ihnen selbstverständlich die
politische Einflußnahme auf die AV möglich ist. Der Unterausschuss und
seine Mitglieder werden in diesem Prozeß lediglich angehört und geben eine
Stellungnahme ab. Für die politische Umsetzung ist die Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Sport und damit auch der Senator Böger zuständig.
Möchten Sie mehr Einfluß auf die Umsetzung haben, sollten Sie sich direkt
an die Senatsverwaltung wenden und auch die politischen Parteien bzw. Ihre
Fraktionen und den Jugendausschuss des Abgeordnetenhauses nicht vergessen.

Wir hoffen, Ihnen mit unseren Ausführungen gedient zu haben und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Konrad Koschek
Referat Jugendhilfe

Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband
Landesverband Berlin
Brandenburgische Straße 80, 10713 Berlin

Tel.: (030) 860 01 - 167
Fax.: (030) 860 01 - 220
Funk: 0177 - 864 49 45
e-mail:
koschek@paritaet-berlin.de

 

 

 

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