FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Erfahrungsbericht / Jahrgang 2007

 

Bericht über die gelungene Rückführung eines Pflegekindes

 

Die Rückführung unserer beiden Kinder zog sich von 10.12.2003 bis 1.8.2005 hin. Meine Kinder lebten insgesamt 3 Jahre und 2 Monate in der Pflegefamilie.

Bei uns waren 2 Jugendämter zuständig. Jugendamt A, welches für die Herausnahme zuständig war, und für die Kinder und Pflegeeltern vor Ort, und Jugendamt B, welches für uns als Familie zuständig war und heute noch ist, nachdem ich im Oktober 02 hier her gezogen bin.

Heute möchte ich berichten, was positiv zur Rückführung meiner Kinder beigetragen hat, zumindest versuche ich es einmal.

Am 10.12.2003 sprach der Richter, dass die beiden Kinder in unseren Haushalt zurück geführt werden müssen, eine Rückübertragung des Sorgerechtes würde es geben, wenn die Kinder wieder zuhause wären. Einfach damit ich nicht einfach zu den Pflegeeltern fahren würde, um die Kinder abzuholen und die Kinder dort „hoppla hopp“ herausreißen würde.

Seit Ende 2002 ging ich alle 14 Tage zu einer Erziehungsberaterin, zum einen um wertvolle Tipps zur Erziehung meiner Kinder zu bekommen, und zum anderen um über die Situation als solche einfach auch mal sprechen zu können. Meine Erziehungsberaterin war mir damals in der ganzen Zeit eine sehr große Stütze, und auch heute noch, nachdem die Kinder seit 2 Jahren wieder zuhause leben ist sie eine gute Ansprechpartnerin wenn mal Probleme oder Fragen auftauchen.

Während der ganzen 3 Jahre, hatte ich regelmäßigen Kontakt zu meinen beiden Kindern. Lediglich ein einzelner Kontakt fiel aus, weil wir 7 Stunden lang im Stau standen und es dadurch nicht pünktlich zum Umgang schafften. Wir wohnten 250 km von meinen Kindern entfernt. Und trotz dieser Tatsache schafften wir es immer meine Kinder zu besuchen.

Wir suchten uns im Dezember 03, weil dies von uns verlangt wurde, eine Wohnung in der Jedes der beiden Kinder ein eigenes Zimmer hatte und richteten dieses Kindergerecht neu ein. So durften die Kinder dann einmal im Monat bei uns Übernachten für eine Nacht. Ab April 04 zweimal im Monat für eine Nacht, und ab Juli 04, die ganzen Ferien und sonst weiterhin alle 14 Tage eine Nacht. Noch später wurden es alle 14 Tage 2 Nächte, dann jedes Wochenende 2 Nächte, und ab Februar 05 jeweils 14 Tage am Stück im Wechsel mit der Pflegefamilie (14 Tage hier, 14 Tage dort) 

Im Juli 04 wurde festgehalten, dass die Kinder erst noch ein Jahr in den Kindergarten gehen müssen, bevor sie zurückkehren also bis Sommer 05, eine weiter Auflage vom alten Jugendamt. Allerdings könne man im Winter nochmal über eine frühere Rückkehr der Kinder sprechen. 

Es war ganz schön deprimierend, wie lange sich die ganze Rückführung hinzog. Und dennoch gaben wir nicht auf, besuchten meine Kinder weiterhin regelmäßig, kamen immer Pünktlich um sie abzuholen und auch Pünktlich um sie zurück zu bringen. 

Im Dezember 04 fand ein weiteres Hilfeplangespräch statt. In diesen wurde vom alten Jugendamt schriftlich festgehalten, das beide Kinder keine Entwicklungsdefizite hätten, das größere gerne in den Kindergarten gehen würde, der kleinere noch nicht Reif dafür gewesen sei. Das der große den Kindergarten kaum besuchte wurde ignoriert. Eine Rückführung der Kinder sei nicht fraglich, weil „die Kinder zu lange schon in der Pflegefamilie lebten, und dort ihren Lebensmittelpunkt gefunden hätten und sich prima entwickelt hätten. Des Weiteren wären die Kinder auch älter geworden, und die Kindsmutter könne diese Zeit nicht mehr aufholen, und so ein Defizit in ihrer Erziehungsfähigkeit entstanden“

Und so kam es, das alles in Frage gestellt wurde, was wir die letzten Jahre geleistet hatten, und es wurde nach einem neuen Gutachten verlangt.

Als wir darum baten, das ganze nicht unnötig in die länge zu ziehen, weil das alles finanziell nicht mehr lange zu tragen sei, wurde mir vorgeworfen, vom alten Jugendamt, das ich meine Kinder nicht lieben würde, sondern das es mir nur ums Geld ginge. Auf die Frage ob es denn eine finanzielle Unterstützung geben könne, zumindest für die ganzen Fahrten, wurde dies verneint und auch so schriftlich festgehalten.

Im Februar 05 kam dann die Pflegemutter auf mich zu, sie sei davon überzeugt, das die Kinder zurückkehren würden zum Sommer 05, und deshalb würde sie es befürworten, wenn die Kinder ab sofort immer 14 Tage am Stück bei uns wären. Nach Absprache mit dem neuen Jugendamt durften wir es dann auch so machen.

Weiterhin nahmen wir jeden Kontakt wahr, ging ich zur Erziehungsberatung und lies das neue Erziehungsgutachten erstellen. Auch dieses Gutachten fiel wieder positiv für mich auch, und auch machte dieses Gutachten auf die Defizite meiner beiden Kinder aufmerksam.

„In der Untersuchung von (Kind 1) und (Kind 2 das jüngere) imponierten die Entwicklungsdefizite beider Kinder, insbesondere in förderabhängigen Bereichen wie vorschulischen feinmotorischen Fertigkeiten (Zählen, Farben benennen, Umgang mit Stift und Papier, Zeichnen) und der Sprachentwicklung (bei Kind 2 insbesondere hinsichtlich der Sprachproduktion und des Sprachgedächtnisses, bei Kind 1 hinsichtlich des Sprachverständnisses).

So lag das Zeichenalter des mittlerweile viereinhalb jährigen Kind 2 unter dem Niveau eines dreijährigen Kindes, des fünfeinhaljährigen Kind 1 nur schwach darüber.“

Noch während das neue Gutachten in Arbeit war, gab es ein neues Hilfeplangespräch im neuen Jugendamt. Das alte wurde nicht dazu eingeladen. In diesem Hilfeplangespräch wurde über das „Hilfsnetzwerk“ gesprochen, welches nach der Rückkehr einsetzen wird.

So wurden meine 14 Tägigen Besuche bei der Erziehungsberaterin dadurch ersetzt, dass ich eine mobile Erziehungsberaterin bekommen würde, die zweimal die Woche in meinen Haushalt kommen würde. Der Kindergartenplatz den ich organisiert hatte, wurde genehmigt. Und ich bekam gesagt, das ich mich darauf einstellen müsse, das es vielleicht die ersten Wochen ganz gut laufen würde, aber dass es dann zu großen Schwierigkeiten bei den Kindern und mit ihnen kommen könne, was aber normal wäre. Mir war klar, dass es nicht sehr einfach werden würde für alle beteiligten.

Also lies ich mich auf die angebotenen Hilfen ein, und nahm diese dankbar schon einmal an.

Am 22.7.05 kam es zu einer weiteren Anhörung vor Gericht, weil das alte Jugendamt nach wie vor gegen eine Rückkehr der Kinder war. Da aber alle anderen beteiligten Personen für eine Rückkehr der Kinder waren kam es auch so, das beide Kinder am 1.8.05 nachhause zurückkehren durften.

Die ersten 4 Wochen verliefen dann sehr ruhig, im September 05 setzte die mobile Erziehungsberatung ein. Und sie war wirklich eine sehr große Hilfe und Stütze. Ich hatte jemanden, mit dem ich über anstehende Probleme reden konnte, und den ich im Notfall auch kurzfristig zu mir bestellen konnte.

Es gab nach der Rückkehr der Kinder wirklich einige Probleme, so litt der kleinere der beiden anfangs stark unter der Trennung von den Pflegeeltern. Die Regelmäßigen Übernachtungen die bei den Pflegeeltern statt fanden trugen auch nicht gerade dazu bei, seinen Trennungsschmerz zu verarbeiten. Erst ein aussetzen der Übernachtungen führte dazu, das er sich einlebte. Die Pflegeeltern verweigerten danach jeglichen Kontakt, was sicher traurig für die Kinder war und ist, aber dafür sollte man Verständnis haben.

Ohne die Unterstützung unseres hiesigen Jugendamtes hätten die Pflegeeltern weiterhin darauf bestanden das die Kinder alle 2- 3 Wochen bei ihnen ein Wochenende verbringen.

Ein halbes Jahr nach der Rückkehr wurde die mobile Erziehungsberatung darauf hin gekürzt, das nur noch Besuche statt fanden, wenn ich darum bat, und ein Besuch im Monat um die Kinder zu sehen. Ein Jahr nach der Rückkehr der Kinder wurde die Mobile Erziehungsberatung eingestellt, weil unsere Probleme einfach ganz alltägliche Probleme seien.

Was hat also nun besonders Positiv zur Rückkehr der Kinder beigetragen?

Sicherlich erst mal, das ich/ wir in den ganzen 3 Jahren zuverlässig jeden Umgang wahr nahmen und uns stets darum bemühten, das alle Auflagen erfüllt wurden. Aber auch unsere hiesige Jugendamtsmitarbeiterin vom Pflegekinderdienst, die uns eine große Unterstützung war, und uns in so manchen Stunden Mut zugesprochen hat. Auch das „Netzwerk“ in form der Mobilen Erziehungsberatung, der Ansprechpartner im Jugendamt hat sicherlich dazu beigetragen das die Rückkehr der beiden geglückt ist. Die Tatsache, dass wir in unseren Sorgen und Nöten ernst genommen wurden, und uns auch bei Problemen vertrauensvoll ans Jugendamt wenden konnten.

Aber auch die Tatsache, dass ich Jahrelang eine wunderbare Ansprechpartnerin hatte bei der Erziehungsberatung, mit der ich offen über alles sprechen konnte, und heute noch kann, was uns belastet. Noch heute kann ich mich jederzeit Vertrauensvoll an sie wenden, und dafür danke ich ihr.

Ganz sicher jedoch hat dazu beigetragen, das wir nicht „ins kalte Wasser“ geworfen wurden, sondern das uns klar und deutlich gesagt wurde, das es lange dauern wird, bis alles wieder richtig gerade läuft. Das wir darauf hingewiesen wurden, dass die Zeit „danach“ sehr schwierig werden würde, und die Kinder sicher erst mal extrem Rebellieren würden.

Oftmals erlebe ich bei Eltern deren Kinder noch nicht zuhause sind, oder die gerade zurück kehren, das ihre Gedanken voller Illusionen sind, wie wunderschön es sein wird wenn die Kinder zuhause sind. Was sie alles machen wollen, und wie toll es ihnen dann gehen wird. Gerade diesen Eltern sollte klar gemacht werden, das sie sich am besten ganz schnell vom „Traum“ der heilen und glücklichen Familie verabschieden sollen, denn gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr wird es alles andere sein als „heil und glücklich“

Die Kinder fallen in ein tiefes Loch, und auch die Eltern können erst mal in ein tiefes Loch fallen. Und gerade darauf sollten die Eltern sehr gut vorbereitet werden. Ohne Unterstützung von außen, ist die schwere Anfangszeit kaum zu überstehen. Für die Kinder ist alles wieder neu, neue Regeln, neue Grenzen, neue Umgebung, neue Freunde und „neue“ Familie. Und für die Eltern ist ebenso alles neu, denn eine Übernachtung, oder 14 Tage im Monat ersetzen nicht, das feste zusammenleben, welches in einer „normalen“ Familie herrscht. Und darauf sollten die Eltern vorbereitet werden, und gerade in dieser schwierigen Zeit sollten sie einen zuverlässigen Ansprechpartner haben, der sie nicht verurteilt wenn sie mal einen Fehler machen.

„So lange das Kind untergebracht war, so lange wird es dauern bis es wieder richtig laufen wird“ wurde mir bei der Rückkehr der Kinder gesagt. Und ich kann diese Aussage nur bestätigen, wobei es bei uns heute schon so ziemlich normal läuft. Und dennoch gibt es auch so manche Schwierigkeiten, die in einer „normalen“ Familie nicht währ. Die Schwierigkeiten erinnern oft, an die Schwierigkeiten wie Pflegeeltern sie haben, deshalb suche ich mittlerweile Kontakt zu Pflegeeltern was wirklich sehr hilfreich ist. Auch wenn anfangs Berührungsängste meinerseits bestanden bin ich doch froh, diesen Kontakt gesucht zu haben.

Und was ebenfalls sehr wichtig ist, bei einen wechsel von der Pflegefamilie(PF)  zurück zu den leiblichen Eltern (LE) ist, das die LE zulassen, das die Kinder von der PF sprechen, von den Erlebnissen dort, von den schönen Zeiten die sie dort verlebten, und auch das LE den Kindern gestatten an die PE mal einen Brief zu schreiben, oder sich von der Zeit aus der PF Bilder anzusehen. Man kann und darf den Kindern diese Erinnerung nicht verbieten, sie ist wichtig, und nun Mal ein wichtiger Teil im Leben des Kindes. Heute sprechen meine Kinder nicht mehr sooft von den Pflegeeltern und den Leben dort. Und dennoch sprechen sie davon, stellen mir Fragen, wollen ihr Fotoalbum ansehen, und haben durchaus glückliche Gedanken dabei.

Kinder die zurückkehren benötigen starke Eltern, Eltern die sich hingebungsvoll mit der Trauer der Kinder beschäftigen, ohne den Kindern vorwürfe zu machen. Solche Kinder benötigen Eltern, die all ihre Kraft und Liebe in sie hinein stecken, sie in den Arm nehmen, und ihnen die Erinnerung gestatten.

Was ich jedoch auch betonen möchte, ist das eine Rückführung, die sie über 1,5 Jahre und länger erstreckt sicher nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine gut laufende Rückführung.

Dennoch ist es zu schaffen, wenn man die Trauer der Kinder zulässt, Probleme offen anspricht und gut auf das Vorbereitet wird, was vor einen liegt.

Heute leben wir, das heißt unsere beiden großen Kinder, unsere beiden kleinen Kinder, mein Mann und Stiefvater der großen und Vater der kleinen Kinder und ich glücklich unter einen Dach. Immer wieder gibt es tiefen, die es zu Überwinden gibt, und dennoch können wir sagen, dass wir glücklich sind, und ein „fast“ normales gemeinsames Leben führen.

Wir haben nach wie vor feste Ansprechpartner bei Problemen, meist jedoch bekommen wir es ganz gut alleine hin. Unsere großen Kinder gehen mittlerweile beide, erfolgreich, in die Grundschule, und sind, meist, vollkommen unauffällig. Ihre Defizite haben beide Kinder gut aufgeholt, wobei der kleinere der beiden Momentan wegen einer Zahnlücke Probleme mit den „r“ und den „sch“ hat, was aber bei einer Zahnlücke vorne wohl normal ist, laut Logopädin.

Von den Pflegeeltern reden sie heute nur noch selten, auch vom Leben bei diesen. Nur manchmal erzählen sie aus „alten“ Zeiten.

Ich denke, man kann sagen, dass es ganz normale, glückliche Kinder sind abgesehen von der frühkindlichen Traumatisierung. Der kleine hat seine Traumatisierung verarbeitet, und der große ist momentan damit beschäftigt, seine schwere Traumatisierung aufzuarbeiten was wirklich manchmal enorm viel Geduld und Ausdauer benötigt.

M. R.

 

 

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