FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2004

 

I N F O R M A T I O N S V E R A N S T A L T U N G

der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport und des Landesjugendamtes zu den neuen Ausführungsvorschriften

am 10.02.2004 im Jagdschloss Glienicke

 

Vorbemerkung: Wir veröffentlichen hier Beiträge, bzw. Kommentare von teilnehmenden Pflegeeltern. Weitere Berichte/Kommentare werden folgen.
C.M.

 

Liebe Pflegeeltern,

was ich heute bei der Infoveranstaltung der Senatsverwaltung in Glienicke zu hören bekommen habe, verschlägt mir die Sprache.

Danach kristallisiert sich folgendes heraus:

1. Es gibt keine heilpädagogische Pflegefamilie mehr
2. Es gibt keinen Bestandschutz ( nur nach Gutachten)
3. Es gibt keine seelische Behinderung

Als dann noch klar wurde, dass die Gutachter vom Senat beauftragt werden, und das es eine Gutachterliste geben wird (natürlich vom Senat bestellte Gutachter!!!) war mir alles klar. Hier soll mit allen Mitteln Geld eingespart werden, was dann unlogischerweise wieder durch Verursachung hoher Gutachterkosten zum Fenster herausgeworfen wird.
Und als dann noch einer dieser Gutachter (Hr. Wahlen) seine Vorstellung von seelischer Behinderung vorstellte:
O-Ton: es ist ein kurzfristiges Auftreten von Störungen, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie in nächster Zeit solche Gutachten schwer traumatisierter Kinder vonstatten gehen.

Diese neuen AV`s dürfen nicht verabschiedet werden, wir müssen unbedingt weiterhin etwas dagegen tun und kämpfen, kämpfen, kämpfen.

Wir sollten alle zur nächsten Infoveranstaltung des Senats am 20.02.2004 im Berliner Rathaus erscheinen und protestieren!!

Mit weiterhin kämpferischen Grüßen
Maria Gammert

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Empörung trifft es eigentlich am besten, was ich empfinde nach dieser Veranstaltung der Senatsjugendverwaltung im Jagdschloss Glienicke am heutigen Tag.

Die eigentlichen Sprachrohre Frau Herrmanns (Pressesprecherin) und Frau Schipmann (Leiterin der FachAG) sind krank. Nun sitzen da Vertreter von Vertretern, die eigentlich gar nichts genaues sagen können und sprechen in einem Amtsdeutsch, das sich an konkreten Aussagen immer vorbei windet.

Ich habe den Eindruck, dass sie so weit weg sind vom Thema, so weit weg sind vom Leben mit Pflegekindern, vom Leben mit behinderten, misshandelten, traumatisierten Pflegekindern, dass sie wirklich an das glauben, was sie sagen. Das muss man wahrscheinlich sein, um solche Ausführungsvorschriften in der Amtsstube verfassen zu können. Nur so ist es zu verstehen, dass ein Herr Wahlen (Vertreter für die diagnostischen Fachdienste) sagen kann, dass es seelische Behinderungen gibt, die keinen pädagogischen Zusatzbedarf erforderlich machen, welche das sein sollen, konnte er nicht belegen.

Die Kaltblütigkeit, das süffisante Lächeln, wenn Pflegeeltern ihre Einwände, belegt an persönlichen Erlebnissen, vorbringen, das empört mich zutiefst. Die Ausführungen von Herrn Nachtmann, die implizieren, dass sich bei den Pflegeeltern im Laufe der Jahre eine durch nichts gerechtfertigte Anspruchshaltung entwickelt hat, machen mich sprachlos.

Kein Dank an die Pflegeeltern, die seit Jahrzehnten alles für Kinder tun, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben können und für die der Staat Verantwortung trägt, nein im Gegenteil, wir werden als Besitzstandswahrer dargestellt.

Familien, die ihre Pflegekinder von den Jugendämtern unter der Voraussetzung bekommen haben, dass mindestens ein Elternteil seine Arbeit aufgibt, müssen hören, dass es keine Berechtigung seitens der Jugendämter gab, dies zu fordern. Wie es sein kann, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang der zweite Elternteil in einer Pflegefamilie zukünftig arbeiten darf, in den neuen AV geregelt ist, dazu gab es keine Antwort.

Es empört mich zutiefst, dass wir auf dieser Veranstaltung auch (bewusst) falsch informiert worden sind. Der zukünftig vorgesehene Sockelbetrag von 200 Euro, der bis zum Jahr 2006 auf 300 Euro erhöht werden soll, wird in der Gegenüberstellung zwischen heute und morgen einfach mit 300 Euro dargestellt, damit die Differenz nicht so hoch ausfällt. Auf Nachfrage einer Pflegemutter bestätigt Herr Nachtmann, dass das ab dem Inkrafttreten der AV gelten soll. Doch da wird er korrigiert, erst ab 2006 soll dieser Betrag gezahlt werden.

Wie kann es sein, dass der Senat es nicht für nötig hält, dass wir mit den wirklich für die AV Verantwortlichen diskutieren können. Wie kann es sein, dass über Jahre an diesen AV gearbeitet wird, ohne die Pflegeeltern - als Fachleute für die Arbeit mit Pflegekindern und ihrer Bedürfnissen – einzubeziehen.

Wenn es wirklich um die Qualitätssicherung im Pflegekinderwesen gehen soll, wird sich keiner verweigern, konstruktiv mitzuarbeiten, aber da es ausschließlich um Kostensenkung geht, dann bleiben wir bei unserem Aufruf zum Widerstand. Es kann nicht möglich sein, dass an Kindern gespart werden soll, die in vielen Fällen eine Biographie haben, die man keinem wünscht und damit Gefahr läuft, dass sich die Lebensbedingungen für diese Kinder so verändern, dass ihre Entwicklung zusätzlich gefährdet wird.

Aber ich habe den Eindruck, dass sich für die Kinder und ihre Entwicklungschancen auf diesem Podium keiner wirklich interessiert hat.

Sylvia Midasch

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Anwesend: Frau Schiemann (Diskussionsleiterin), Herr Wahlen (Erläuterungen zu den Gutachten), Herr Nachmann (Leiter des Landesjugendamtes) Herr Flämming (ein Leiter im Amt Köpenick )

Die missbrauchten Pflegeeltern

Einige Schlüsse aus der Informationsveranstaltung vom 10.02.2004 zur neuen AV-Familienpflege, Ort Jagdschloss Glienicke, 9:00 – 12:00 Uhr

Vielleicht hat der Berliner Jugendsenator Klaus Böger, und vor allem seine Beamten, die schon seit vielen Jahren an dieser AV-Familienpflege für viel Geld „basteln“, gedacht, zu den missbrauchten Pflegekindern würden ganz gut missbrauchte Pflegeeltern passen.

Was? Diese Formulierung ist zu böse?

Ich glaube, dass sie trotzdem passt. Sie passt in einer besonderen Art und Weise.

In dem Wort Missbrauch steckt das Präfix miss, was soviel bedeutet wie verkehrt, verfehlt. In dem Wort Missetat steckt noch die vollere Form der Bedeutung : Schändliche Tat, Verbrechen.

Das Wort missbrauchen steht für falsch oder böse.

Exkurs:
Mein Focus soll sich aber auf die gutachtlichen Stellungnahmen und die ausgewählten „objektiven Gutachter“ wie Herrn Wahlen richten, der uns am heutigen Tage informieren wollte.

Herr Wahlen selbst – als einer der Ausgewählten, wie ich annehme – hat seine neuen Aufgaben wie folgt beschrieben: Er bekommt vom Jugendamt eine eng umgrenzte Fragestellung. Er weiß, dass seine Begutachtung für Kostenentscheidungen verwendet wird, und dass die Kassen für die Pflegekinder und Pflegeeltern zugunsten anderer umgeschichtet werden sollen. Es können auch ausge wählte externe Gutachter in Frage kommen. Gutachter, die das Jugendamt auswählt oder abwählt. Diese Auswahl findet wohl jetzt bereits statt. Auch interne Gutachter, die das Kindeswohl im Auge haben, werden immer seltener mit diesen Gutachten betraut und abgewählt.

Diese Gutachten sollen aber nicht mehr ausschlaggebend sein bei der Bewilligung des „erweiterten Förderbedarfs“ für die immer noch heilpädagogische Arbeit, denn so wird die gleiche Arbeit in Heilpädagogischen Heimen genannt.

Das letzte Wort soll das Jugendamt haben, denn die Gutachter geben nur noch nicht bindende Empfehlungen(!).

Bisher war dies anders. Wenn der Gutachter, der auch ein Kinderarzt oder ein externer Psychologe usw. sein konnte, den § 39 BSHG oder § 35a KJHG in seiner gutachtlichen Stellungnahme festgestellt hatte, dann wurde dieses Kind für eine heilpädagogische Pflegestelle vorgesehen.

Die Einflussnahme der Gutachter wird nach den Ausführungen von Herrn Wahlen so stark beschnitten, so dass sie nicht mehr die notwendigen Maßnahmen durchsetzen können.

Wenn das Jugendamt das „Letzte Wort“ hat, so werden Kostenargumente hinter den Kulissen die notwendigen Maßnahmen für das Kind bestimmen.

Eltern, die drogenabhängig sind oder anders beeinträchtigt sind, sollen für den „erweiterten Förderbedarf“ den Antrag stellen, wenn sie noch das Sorgerecht besitzen.

Sollten diese Eltern diesen Förderbedarf beantragen, so geben sie damit zu, dass „ihr Kind“ große Defizite hat. Bei Gerichtsverhandlungen gegen die Eltern könnte dies ebenfalls eine Rolle spielen. Hier kommen verschiedene Interessen zusammen, die ein „Problem“ klein reden möchten, nämlich die Störungen der misshandelten und missbrauchten Kinder und der kostenintensive Rahmen, den eine qualifizierte Pflegefamilie vorhalten soll.

Was für ein Chaos und was für ein immenser Schaden wird hier angerichtet!!!

Ende des Exkurses!

Warum der Begriff „missbrauchte Pflegeeltern“?

Wie findet der Missbrauch statt?

Wie ich eingangs hergeleitet habe, steckt in dem Wort die Bedeutung des Wortes Missetat (schändliche Tat, Verbrechen)

In dem Wort missbrauchen die Bedeutung falsch oder böse.

Der Hinweis auf diese Bedeutungen im Zusammenhang mit Pflegeeltern wird sofort ersichtlich, wenn wir uns den Sinn und Zweck der alle 6-12 Monate wiederkehrenden Gutachten betrachten.

Vorab: Stellen wir uns vor, die gleichen Maßstäbe der neuen AV, würden auch auf die Unterbringungen nach §34 KJHG angewandt.

Dies würde bedeuten, wenn ein „Heilpädagogischer Bedarf“ analog „erweiteter Förderbedarf“ festgestellt würde, dass das Kind in einem heilpädagogischen Heim zu einem Kostensatz von ca. 4500,- Euro - über 6000,- Euro pro Kind und Monat untergebracht würde. Die weitere Gewährung dieser Maßnahmen können im wesentlichen die Heime alleine bestimmen, die Jugendämter empfangen nur die Berichte der Heime. (Wie praktisch für die Heime!)

Wenn nun aber der Bedarf dem Kind aberkannt wird, so muss das Heim das Kind in ein Heim der Grundversorgung überführen. Das heilpädagogische Heim kann für den wesentlich geringeren Satz den heilpädagogischen Rahmen nicht finanzieren.

Analog zu dem „erweiterten Förderbedarf“ könnte dem Heim nach 6 oder 12 Monaten das Geld entzogen werden. Das Kind käme in ein Heim der Grundversorgung. Nach 6 Monaten, wenn die Symptome sich verschlimmern, müsste es wieder in ein heilpädagogisches Heim usw., usw., usw.. Das Kind wüsste nicht mehr wohin und würde allein durch dieses Hin und Her schwerst erkranken.

Wenn man dieses Beispiel wieder auf die Pflegefamilie zurück überträgt, dann wird der Missbrauch überdeutlich.

Denn das Kind bleibt in der Pflegefamilie und das Jugendamt bekommt für die Bezahlung der pädagogischen Grundversorgung eine heilpädagogische Pflegestelle!!!

Die emotionale Bindung zum Kind, die nicht den „Warencharakter“ des Kindes berücksichtigt – bekomme ich genug Geld für das Kind oder nicht - , sondern das Kind in seiner emotionalen Bedürftigkeit und den daraus folgenden pädagogisch-therapeutischen Konsequenzen im Alltag wahrnimmt, führt hier zur schändlichen Tat mit böser Absicht der Jugendbehörde. Die Jugendbehörde kann den finanziellen Rahmen beliebig festlegen, die unmittelbare Beziehung der Pflegeeltern zum Kind macht diesen Missbrauch möglich. Missbrauch von emotional intensiven Beziehungen! (Eine Schlüsselqualifikation für diese Arbeit.)

Siehe auch hierzu „Qualitätsverbesserung und Kostendämpfung durch mehr Vollzeitpflege“, die theoretische Vorbereitung dieses Missbrauchs durch Herrn Thilo Geisler, ehemaliger Leiter des Landesjugendamtes. Sein Nachfolger ist Herr Nachmann, der diesen Missbrauch der Pflegeeltern konsequent fortzusetzen scheint.

Die gutachtlichen Stellungnahmen sollen in Zukunft an die Ressourcen der Ämter angepasst werden. Hierzu in einem Rundschreiben von Frau Schipmann, die verantwortliche Leiterin der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der neuen AV-Familienepflege: „Ziel muss sein, ressortübergreifende Kooperationsvereinbarungen abzuschließen, um beispielsweise zu erreichen, dass fachdiagnostische Stellungnahmen jugendamtsexterner Dienste auch unter Beachtung einer gemeinsamen kommunalen Ressourcenverantwortung erstellt werden.“

(Rundschreiben Jug Nr. 3/2002 vom 18.12.2002, monika.schipmann@senbjs.verwalt-berlin.de, Heraushebung einer Textstelle nicht durch Fr. Schipmann)

Die fachdiagnostischen Stellungnahmen sollen so erstellt werden, dass sie zu den kommunalen Ressourcen passen. Damit gibt es keine objektiven Gutachten mehr. Jedes Gutachten, dass unter der kommunalen Ressourcenverantwortung erstellt wurde, ist damit fachlich anzuzweifeln.

Diese AV-Familienpflege ist moralisch zu tiefst verwerflich und muss zum Schutz der Kinder auf das Schärfste bekämpft werden. Auch die juristische Seite muss unbedingt geprüft werden, denn zusammen mit der Äußerung von Frau Schipmann in dem Rundschreiben, könnte hier geltendes Recht verletzt worden sein.

Joachim Jetschmann

Weitere Infos unter:
http://www.aktivverbund-berlin.de

 

 

 

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