FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2005

 

Robert Siegler & Judy DeLoache
& Nancy Eisenberg

Entwicklungspsychologie im Kindes-
und Jugendalter

Deutsche Auflage herausgegeben und ergänzt von Sabine Pauen,
übersetzt von Joachim Grabowski

Elsevier / Spektrum Akademischer Verlag, 2005
(Originalausgabe: »How Children Develop«
Worth Publishers, 2003)
(977 Seiten, 49,50 Euro)

Robert Siegler ist Professor für Kognitive Psychologie an der Carnegie-Mellon-University,
Judy DeLauche Professorin für Psychologie an der Universität von Virginia,
Sabina Pauen Prof. für Entwicklungs- und Biologische Psychologie an der PH Heidelberg,
Joachim Grabowski Professor für Psychologie an der PH Heidelberg.

Die Autoren orientierten sich durchgehend an folgenden Fragestellungen:
1. Wie formen Anlage und Umwelt gemeinsam die Entwicklung?
2. Wie formen Kinder ihre eigene Entwicklung?
3. In welcher Hinsicht verläuft Entwicklung kontinuierlich, in welcher diskontinuierlich?
4. Wie ergeben sich Veränderungen?
5. Wie beeinflusst der soziokulturelle Kontext die Entwicklung?
6. Wie kommt es, dass Kinder sich so stark voneinander unterscheiden?
7. Wie kann Forschung zur Förderung des Kindeswohls beitragen?

»Diese sieben Themen bilden die Kernstruktur des Buches. Sie werden in Kapitel 1 anschaulich eingeführt und tauchen in den folgenden 13 Inhaltskapiteln immer wieder dann auf, wenn sie für einen Entwicklungsbereich besonders wichtig sind. Im Schlusskapitel dienen dieselben Themen als Rahmen für die Integration von Befunden aus verschiedenen Bereichen. Durch die kontinuierliche Behandlung der gleichen Fragen können wir eine Geschichte erzählen, die mit einer Einleitung beginnt (der Vorstellung der Themen), einen Mittelteil besitzt (die Darstellung der jeweils spezifischen Befunde) und einen Schluss hat (den Überblick darüber, was die Studierenden über die einzelnen Themen gelernt haben).« (S.XI/XII)

Vorangestellt ist eine grobgliedernde Inhaltsübersicht und ein feingliederndes Inhaltsverzeichnis. Die Inhaltsübersicht:
  1. Die Entwicklung von Kindern: eine Einführung
  2. Pränatale Entwicklung, Geburt und die Phase des Neugeborenen 
  3. Biologie und Verhalten
  4. Theorien der kognitiven Entwicklung
  5. Die frühe Kindheit
  6. Die Entwicklung des Sprach- und Symbolgebrauchs
  7. Die Entwicklung von Konzepten
  8. Intelligenz und schulische Leistungen
  9. Theorien der sozialen Entwicklung
10. Emotionale Entwicklung
11. Bindung und die Entwicklung des Selbst
12. Die Familie
13. Beziehungen zu Gleichaltrigen
14. Moralentwicklung
15. Fazit
Glossar / Literaturverzeichnis / Abbildungsnachweis / Namensindex / Sachindex

Beim ersten Durchblättern ist man sogleich beeindruckt, von der überaus sorgfältigen und leserfreundlichen Darstellungsweise. Zahlreiche meist farbige Abbildungen, Graphiken, Tabellen, Randnotizen, exkursive Kästen, Zwischenbilanzen, Zusammenfassungen, ein ausführliches Glossar im Anhang und ein sehr klarer sympathischer Schreibstil erleichtern die Lektüre. Die folgenden Textproben sollen die wissenschaftliche Solidität des Werkes und jene vorbildliche Didaktik demonstrieren.  

Dem ersten Kapitel entnehmen wir den eingefügten Kasten unter dem Titel »Die Wichtigkeit normaler früher Erfahrungen« (S. 18/19):


Eine besonders berührende Illustration für die Wichtigkeit normaler Erfahrungen in der frühen Kindheit sind die Fälle von Kindern, die ihre ersten Lebensjahre Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in fürchterlich unzulänglichen rumänischen Waisenhäusern verbringen mussten (O'Connor et al., 2000; Rutter et al., 1998). Die Kinder in diesen Einrichtungen hatten fast keinen Kontakt zu irgendeiner Betreuungsperson. .... Die Bedingungen in den Heimen waren so schlecht, dass viele Kinder vom 18 bis 20 Stunden langen täglichen Liegen auf dem Rücken abgeflachte Hinterköpfe bekommen hatten.

Kurz nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in Rumänien wurden einige Hundert dieser Kinder nach Großbritannien gebracht. .... Manche dieser Waisenkinder kamen vor ihrem sechsten Monat in eine britische Adoptivfamilie, andere zwischen sechs und 24 Monaten, wieder andere waren bei ihrer Adoption zwischen zwei und dreieinhalb Jahren alt. Als Vergleichspunkt diente eine Kontrollgruppe von Kindern, die in Großbritannien geboren wurden und britische Adoptiveltern erhalten hatten. ....

Bei ihrer Ankunft in Großbritannien waren die meisten der rumänischen Kinder massiv unterernährt; mehr als die Hälfte gehörten hinsichtlich Größe, Gewicht und Kopfumfang zu den untersten drei Prozent ihrer jeweiligen Altersgruppe. Auch waren die meisten geistig und sozial zurückgeblieben. .... Bis zum Alter von sechs Jahren hatte sich die körperliche Entwicklung der in Rumänien geborenen Kinder beträchtlich verbessert. .... Die frühen ungünstigen Erfahrungen der rumänischen Kinder beeinflussten ihre Entwicklung jedoch auch weiterhin, wobei das Ausmaß des negativen Einflusses davon abhing, wie lange sie sich im Waisenhaus befunden hatten. Waren sie im Alter von unter sechs Monaten adoptiert worden und hatten somit nur einen kleinen Teil ihres jungen Lebens in Heimen verbracht, wogen sie als Sechsjährige etwa gleich viel wie die Kontrollgruppenkinder britischer Abstammung. Rumänische Kinder, deren Adoption zwischen sechs Monaten und zwei Jahren erfolgte (und die somit länger im Waisenhaus gelebt hatten), wogen weniger; die Kinder, die erst mit mehr als zwei Jahren adoptiert wurden, wogen noch weniger. Bei der geistigen Entwicklung zeigte sich ein ähnliches Muster. Die in ihren ersten sechs Lebensmonaten adoptierten rumänischen Kinder besaßen mit sechs Jahren eine geistige Leistungsfähigkeit, die sich mit den Kindern der Kontrollgruppe vergleichen lässt. Mit späterem Adoptionsalter fielen die geistigen Fähigkeiten im Alter von sechs Jahren jeweils schlechter aus. Auch bei der sozialen Entwicklung ergaben sich analoge Negativeffekte der frühen Erfahrungen in den Waisenhäusern (O'Connor & Rutter, 2000). Fast 20 Prozent der rumänischen Kinder, die bei ihrer Adoption älter als sechs Monate waren, zeigten mit sechs Jahren ein extrem abweichendes Sozialverhalten. .... Weiterhin konnten diese Kinder vielfach keine guten Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen.

Die liebevolle familiäre Umgebung, die die Adoptiveltern bereitstellten, war für die körperliche, geistige und soziale Entwicklung der Kinder zweifellos eine Unterstützung. Und dennoch scheint es Grenzen zu geben, wie weit sich die frühen Entbehrungen der Kinder ausgleichen und überwinden lassen. ...
 


Aus dem zweiten Kapitel stammt folgende Zusammenfassung« zur pränatalen Entwicklung:

  • Anlage und Umwelt wirken bei der pränatalen Entwicklung zusammen. Ein großer Teil dieser Entwicklung wird vom Fetus selbst hervorgebracht, was ihn zu einem aktiven Mitgestalter seines eigenen Fortschritts macht. Es besteht eine beträchtliche Kontinuität zwischen den Phasen vor und nach der Geburt, insofern die Kinder die Wirkungen dessen an den Tag legen, was ihnen im Mutterleib widerfahren ist.
  • Die pränatale Entwicklung beginnt auf der Ebene einzelner Zellen mit der Befruchtung, der Vereinigung einer mütterlichen Eizelle mit einem Spermium des Vaters, wodurch die Zygote entsteht. Die Zygote vervielfältigt und teilt sich auf ihrem Weg durch einen der Eileiter.
  • Die Zygote unterliegt den Prozessen der Zellteilung, der Zellmigration, der Spezialisierung und des Absterbens von Zellen (der Apoptose), all dies fördert die Entwicklung des Organismus. Diese Prozesse setzen sich in der gesamten pränatalen Entwicklung fort.
  • Wenn sich die Zygote in der Gebärmutterwand einnistet, wird sie zum Embryo. Von diesem Moment an ist der Embryo von der Mutter abhängig, um Nährstoffe und Sauerstoff zu erhalten und um seine Abfallstoffe durch die Plazenta loszuwerden.
  • Das Verhalten des Fetus beginnt fünf oder sechs Wochen nach der Befruchtung mit einfachen Bewegungen, die die Mutter noch nicht bemerkt; diese werden zunehmend komplexer und strukturieren sich zu Bewegungsmustern. Der Fetus übt Verhaltensweisen, die für ein unabhängiges Leben unerlässlich sind, darunter das Schlucken und eine Art intrauterine Atmung.
  • Der Fetus erfährt eine Vielfalt an Stimulation aus dem Inneren des Mutterleibes wie aus der äußeren Umgebung. Aus dieser Erfahrung lernt der Fetus, was durch Untersuchungen nachgewiesen wurde, die bei Feten wie bei Neugeborenen anhaltende Geschmackspräferenzen und feine Unterscheidungen zwischen bekannten und neuartigen Geräuschen, insbesondere sprachlichen Lauten, zeigten.
  • Für die pränatale Entwicklung bestehen viele Risiken. Das häufigste Schicksal eines befruchteten Eis ist der spontane Abort (eine Fehlgeburt). Eine ganze Palette von Umweltfaktoren kann die pränatale Entwicklung gefährden. Dazu gehören Teratogene aus der äußeren Umwelt und bestimmte mütterliche Merkmale und Gewohnheiten, zum Beispiel das Alter der Mutter, ihre schlechte Ernährung, der Konsum legaler und illegaler Drogen und der Kontakte zu Umweltgiften.« (S. 112)

Eine eingeschobene Zwischenbilanz zur Interaktion von Anlage und Umwelt aus dem dritten Kapitel:
»Anlage und Umwelt arbeiten bei der Konstruktion des menschlichen Gehirns zusammen. Zu den wichtigen Gehirnstrukturen gehören Neurone, die an ihren Synapsen miteinander kommunizieren; der Cortex, in dem verschiedene Funktionen in verschiedenen Arealen lokalisiert sind; und die cerebralen Hemisphären, die für verschiedene Arten der Verarbeitung spezialisiert sind. Prozesse, die an der Entwicklung des Gehirns beteiligt sind, sind die Neurogenese und die Synaptogenese, worauf die systematische Eliminierung von Synapsen als Funktion der Erfahrung folgt. Als Resultat der erfahrungserwartenden Plastizität wird das Gehirn durch Erfahrungen geformt, die in der Interaktion mit jeder normalen Umwelt verfügbar sind. Wegen der erfahrungsabhängigen Plastizität wird das Gehirn auch durch die idiosynkratischen Erfahrungen eines Individuums im Verlauf seines Lebens strukturiert. Es gibt sensible Phasen, während derer für eine normale Entwicklung bestimmte Erfahrungen verfügbar sein müssen, damit sie auf die Gehirnentwicklung Einfluss nehmen können. Das Timing ist auch für die Auswirkungen einer Hirnschädigung ein entscheidender Faktor.« (S. 159)

Häufig werden neue Abschnitte mit einer Fall-Vignette eingeleitet:
»Ein sieben Monate altes Kind sitzt auf dem Schoß seines Vaters und ist von dessen Brille fasziniert, greift nach einem der Bügel und zieht daran. Der Vater sagt "Au!" und der Junge lässt los, fasst dann aber erneut hin und zieht an der Brille. Das bringt den Vater dazu, sich zu fragen, wie er die Brillengläser in Sicherheit bringen kann, ohne dass das Kind zu weinen anfängt. Glücklicherweise kommt der Vater, ein Entwicklungspsychologe, schnell auf die Idee, dass Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung eine einfache Lösung vorschlägt: Verbirg die Brille hinter dem Rücken! Nach Piagets Theorie sollte das Entfernen der Brille aus dem Sichtfeld ein Baby dieses Alters dazu bringen, sich so zu verhalten, als ob diese niemals existierte. Die Strategie funktioniert ....  Der Vater dankt im Stillen Piaget.« (S. 177)

Die Randnotizen dienen u.a. der Kurzvorstellung wichtiger Autoren (mit Photo):
»Erik Erikson wurde in Deutschland geboren und brauchte lange, um sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Statt zu studieren, wanderte er mehrere Jahre in Europa herum und ging seinem Interesse an Kunst nach. Schließlich wurde er an einer Schule, die von Sigmund Freuds Tochter Anna Freud geleitet wurde, als Kunsterzieher eingestellt und machte eine Ausbildung zum Analytiker. Anfang der 1930er Jahre, mit dem aufkommenden Faschismus in Deutschland, wanderte er in die USA aus.« (S. 476)

Eine andere Stärke des Buches sind die zahlreichen Mitteilungen interessanter empirischer Befunde, z.B. zur Bedeutung emotionaler Intelligenz:
»Die Relevanz von emotionaler Intelligenz spiegelt sich in der Tatsache wider, dass sie besser als der IQ vorhersagt, wie gut Menschen in ihrem Leben zurechtkommen werden, besonders in ihrem sozialen Leben. Beispielsweise zeigte sich in einer Studie, in der 450 Jungen aus Armutsvierteln bis zu ihrem mittleren Lebensalter längsschnittlich begleitet wurden, dass das Ausmaß, in dem sie mit ihrer Arbeit oder mit anderen Bereichen ihres Lebens zurechtkamen, relativ wenig mit dem IQ zusammenhing. Vielmehr korrespondierte ihr Lebenserfolg mit ihrer Fähigkeit, mit Frustrationen umzugehen, ihre Emotionen zu kontrollieren und mit anderen auszukommen (Felsman & Vaillant, 1987). Die Ähnlichkeit zwischen den Ergebnissen dieser Studie und den Befunden von Mischel und seinen Kollegen unterstreicht die Tatsache, dass unsere Emotionen und der Umgang mit ihnen eine herausragende Rolle für die Qualität unseres Lebens und für unsere Beziehungen zu anderen spielen.« (S. 529)

Ein anderes Beispiel der durchgehend empirischen Orientierung findet sich unter dem Zwischentitel »Auswirkungen mütterlicher Berufstätigkeit«:
»Im Ganzen gesehen, erbrachte die Forschung kaum Belege dafür, dass die mütterliche Berufstätigkeit als solche negative Auswirkungen auf die Kindesentwicklung hätte. Es gibt zum Beispiel kaum stabile Hinweise darauf, dass die Qualität oder auch nur die Quantität der mütterlichen Interaktionen in Folge ihrer Berufstätigkeit notwendigerweise zurückgeht (Hoffman, 1989; Paulson, 1996). Einige berufstätige Mütter verbringen weniger Zeit mit ihren Kindern als Mütter, die den ganzen Tag zu Hause sind; anderen berufstätigen Müttern ist es wichtig, zusätzliche Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Tatsächlich lässt die Befundlage erkennen, dass die Berufstätigkeit von Müttern unter bestimmten Umständen negative Folgen für die Kinder nach sich ziehen kann und unter anderen Umständen mit positiven Folgen einhergeht. Wenn berufstätige Mütter zum Beispiel Engagement für ihre Kinder zeigen und wenn die Kinder nach der Schule beaufsichtigt werden, sind sie in der Schule genauso gut wie die Kinder von Müttern, die nicht außer Haus arbeiten gehen (Beyer, 1995). Wenn die Kinder nach der Schule jedoch nicht hinreichend beaufsichtigt und überwacht werden, können ihre Schulleistungen darunter leiden (Muller, 1995).
Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass vielleicht eine wichtige Ausnahme von diesem allgemeinen Befundmuster besteht. Sie dokumentieren, dass Säuglinge, deren Mütter berufstätig waren, als sie neun Monate alt waren, mit 36 Monaten bei einem Test zur Aufnahme in die preschool (die dem deutschen Kindergarten entspricht) schlechter abschnitten. Dieses Befundmuster war besonders ausgeprägt, wenn die Mütter viele Stunden (30 oder mehr pro Woche) arbeiteten und bei der Kindesbetreuung nicht besonders einfühlsam waren. .... Auch wenn sich die Mütter, die sich für eine Berufstätigkeit entschieden haben, als ihr Baby neun Monate alt war, von den Müttern, die zu Hause blieben, in weiteren Eigenschaften unterschieden haben könnten, die in den Untersuchungen nicht erfasst wurden, lassen diese Befunde darauf schließen, dass eine zeitlich umfangreiche Berufstätigkeit der Mütter in den frühen Jahren eines Kindes negative Auswirkungen auf die frühe kognitive Entwicklung haben kann (Brooks-Gunn, Han & Waldfogel, 2002).« (S. 686/687)

Statt dogmatischer Indoktrinationen, wie sie - wenn auch im wissenschaftlichen Gewand - viele Lehrbücher durchziehen, bevorzugen die Autoren eine differenzierte, unterschiedliche Positionen benennende Argumentationsweise, bspw. zu den »Langzeitwirkungen der Bindungssicherheit«:
»Eine Untersuchung berichtete, dass Kinder mit einer sicheren Bindung und einer guten Anpassung im Säuglings- und Krabbelalter auch dann, wenn sie im Kindergartenalter keine besonders guten psychischen Qualitäten zeigten, im mittleren Kindesalter sozial und emotional kompetenter waren als ihre Altersgenossen, die als Baby unsicher gebunden waren (Sroufe et al., 1990). Dies spricht dafür, dass die frühe Bindung eines Kindes einige lang anhaltende Wirkungen hat. Es gibt jedoch auch Belege dafür, dass sich die Bindungssicherheit der Kinder verändert, wenn sich ihre Umwelt verändert - zum Beispiel bei Belastungen und Konflikten in der Familie (Frosch, Mangelsdorf & McHale, 2000; Lewis, Feiring & Rosenthal, 2000) -, und dass die Eltern-Kind-Interaktionen oder das Erziehungsverhalten in einem bestimmten Alter die soziale und emotionale Kompetenz des Kindes in diesem Alter besser vorhersagen als Bindungsmaße aus früheren Jahren (Thompson, 1998; Youngblade & Belsky, 1992). Daher lässt sich die Entwicklung der Kinder wahrscheinlich besser durch die Kombination aus ihrem frühen Bindungsstatus und der Qualität der anschließenden Erziehung vorhersagen als durch jeden der beiden Faktoren allein. Abschließend darf man nicht vergessen, dass die meisten Bindungsstudien korrelativer Natur sind, so dass sich kausale Zusammenhänge schwer ableiten lassen.« (S. 601)

Das letzte Kapitel ist betont praktisch orientiert. Unter dem Zwischentitel »Gefährdeten Kindern helfen« heißt es:
»Eine frühe Entdeckung von Kindesmisshandlung ist ebenfalls entscheidend, zusammen mit Maßnahmen, um dieser ein Ende zu setzen. In den USA werden pro Jahr etwa vier Prozent der Kinder bis zu 17 Jahren missbraucht oder vernachlässigt. Unzureichende Versorgung, körperlicher und sexueller Missbrauch sind die drei häufigsten Probleme. Eltern, die aus wirtschaftlichen Gründen gestresst sind, eine schwache Impulskontrolle besitzen, Alkohol und illegale Drogen konsumieren, sozial isoliert sind und von ihren Partnern selbst missbraucht werden, besitzen die höchste Wahrscheinlichkeit, ihre eigenen Kinder zu misshandeln. Die Kenntnis der Merkmale missbrauchter und vernachlässigter Kinder kann Lehrern und anderen Menschen, die mit solchen Kindern in Kontakt kommen, dabei helfen, potenzielle Probleme früh zu erkennen und soziale Fürsorgeeinrichtungen einzuschalten, so dass die Probleme untersucht und gegebenenfalls beseitigt werden können. .... Jugendliche, die misshandelt wurden, können. depressiv oder hyperaktiv sein, konsumieren Drogen oder Alkohol und haben sexuelle Probleme wie Promiskuität oder ungewöhnliche Ängstlichkeit. Eine frühe Erkennung der Anzeichen von Missbrauch kann das Leben eines Kindes im wörtlichen Sinne retten.« (S. 846/847)

Der kurze Kommentar zur »Tagesbetreuung« im selben Kapitel lautet:
»Ähnliche Debatten gab es darüber, ob die allgemeine Gesellschaft die Betreuungskosten für Eltern von Kleinkindern subventionieren soll. Ein Argument gegen eine solche Politik war die Behauptung, dass sich Kinder mit größerem Erfolg gut entwickeln, wenn sie zu Hause bleiben, statt tagsüber in Einrichtungen betreut zu werden. Dieses Argument erwies sich jedoch als falsch. Kinder, die eine Tagesbetreuung erhalten, entwickeln sich sehr ähnlich wie Kinder, die zu Hause von ihren Eltern betreut werden.« (S.849)

Aus anderen Passagen geht allerdings hervor, daß diese Aussage vom Alter des Kindes und von der Qualität der Mutter-Kind-Beziehung abhängt.

In der Hoffnung, reichlich Appetit erzeugt, ihn aber keinesfalls befriedigt zu haben, empfehle ich dieses in jeder Hinsicht gelungene Lehrbuch allen Psychologie- und Pädagogikstudenten, für die es primär geschrieben wurde, aber ebenso allen an der Entwicklung von Kindern interessierten Eltern und Erziehern. Aber Vorsicht: einmal aufgeschlagen, läßt Sie das Buch so schnell nicht wieder los!

Kurt Eberhard  (Nov. 2005)

 

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