FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2001

 

Josef Martin Niederberger

Kinder in Heimen und Pflegefamilien
Fremdplazierung in Geschichte und Gesellschaft

Kleine Verlag, 1997, ISBN 3-89370-239-3


Josef Martin Niederberger untersucht in der vorgelegten Studie die Art und Weise der Fremdplazierung aus historischer, ethnologischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Er beginnt mit einem Rückgriff auf kulturanthropologische Quellen. In den siebziger Jahren fanden Ethnologen auf dem Nomuk-Atoll in 68% der Haushalte ein Pflegekind, und im nördlichen Ghana bei den Gonja waren 52% bis 64% der Erwachsenen in ihrer Kindheit fremdplaziert. In diesem Brauch des „Kindertausches“ erkennt der Autor wichtige gesellschaftliche Funktionen, wie z.B. die Reziprozität, d.h. ein Verhältnis gegenseitig erwartbarer Hilfeleistungen.

Aufschlußreich ist die historische Entwicklung „primär akzeptierter Kinder mit unproblematischem Sozialstatus“ zu „nicht akzeptierten, desintegrierten oder als gefährdet angesehenen Kindern“ im Zuge der Marktvergesellschaftung, die die alten, regional begrenzten Austauschverhältnisse und damit auch den reziprozitären Kindertausch zurückdrängte. Die Kinder wurden zu „Fällen“, und es entstanden Berufe, die sich mit diesen „Fällen“ beschäftigen (vom ’Viktorianismus’ zum ’Professionalismus’).

Besonders informativ ist Niederbergers Analyse der Entwicklung in den USA. In einer Epoche der allgemeinen Deregulation mit dem damit einhergehenden Verlust gesetzlicher Gestaltungsvorgaben habe die für die Kinder notwendige Kontinuität auf andere Weise gesichert werden müssen. Das geschah im Jahre 1980 durch den „Adoption Assistance and Child Welfare Act“, in dem „Permanency Planing“ zum Leitprinzip erhoben wurde. (vgl. a. Maywald - Die Position des Kindes stärken) Deshalb wurden nicht nur „Mittel für die Prävention der Fremdplazierung und für Hilfen im Haushalt“ zur Verfügung gestellt, sondern auch „für die Planung einer dauerhaften Plazierung in den Fällen, wo die Trennung von der Familie für unvermeidlich gehalten wird“. Diese Politik konnte aber nicht verhindern, dass in den folgenden Jahren (1980 – 1989) die wegen Missbrauch und Vernachlässigung zur Anzeige gebrachten Fälle um 200% anstiegen. Niederberger vermeidet hier eine kausaltheoretische Festlegung:
„Ob dieser Anstieg die Folge einer wirklichen Entwicklung darstellt, oder nur den Niederschlag eines veränderten Anzeigeverhaltens der Bevölkerung, ist hier nicht von Belang. Wichtiger ist, dass einige dieser in Folge von Misshandlung fremdplazierten Kinder nach der Rückkehr zu ihren leiblichen Eltern an weiteren Misshandlungen starben.“ (vgl. unsere
Pressedokumentation zur Wächterpflicht der Jugendämter)

Niederberger stützt seine Ausführungen nicht nur auf eine historisch-soziologische Analyse, sondern auch auf ein vom Schweizerischen Nationalfonds gefördertes Forschungsprojekt über „Entscheidungsprozesse in der Fremdplazierung von Kindern“. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können beim Autor per e-mail ( mnbw@bluewin.ch ) angefordert werden.

Christoph Malter und Kurt Eberhard (Mai 01)

 

 

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