FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2006

 



Andreas Maercker & Rita Rosner (Hg.)

Psychotherapie der posttraumatischen Belastungsstörungen

Krankheitsmodelle und Therapiepraxis -
störungsspezifisch und schulenübergreifend

in Lindauer Psychotherapie-Module
Georg-Thieme-Verlag, 2006
(277 Seiten, 29.95 Euro)
 


Die Herausgeber:
Andreas Maercker
(*1960) ist Ordinarius für Psychopathologie an der Universität Zürich und leitet die Praxisstelle für Traumafolgen. 1979-1986 Studium der Medizin und Psychologie in Halle und Berlin. 1985 Medizinische Promotion, 1995 Psychologische Promotion, 1998 Habilitation im Fach Psychologie, 1999 Psychologischer Psychotherapeut, 2004 Facharzt für Psychotherapeutische Medizin. Forschungsschwerpunkte sind die Psychotraumatologie und die klinische Alterspsychologie und -psychotherapie.
Rita Rosner (*1962) vertritt aktuell die Professur für Klinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1983-1989 Studium der Psychologie in München. 1996 Promotion, 1999 Psychologische Psychotherapeutin, 2003 Habilitation im Fach Psychologie. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind die Psychotraumatologie unter besonderer Berücksichtigung von interkulturellen Aspekten, Migration und Trauer.

Zur Mitwirkung haben sie 31 Autoren aus Wissenschaft und Praxis gewonnen:

Kai Baumann, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, BfA-Klinik Seehof Teltow bei Berlin

Prof. Dr. Willi Butollo, Ludwig-Maximilians-Universität Department Psychologie, München

Prof. Lawrence G. Calhoun, University of North Carolina at Charlotte Department of Psychology, USA

Dr. Boris Drozdek, Reinier van Arkel Groep Psychotraumacentrum, Vught, Niederlande

Dr. Guido Flatten, Euregio-lnstitut für Psychosomatik und Psychotraumatologie, Aachen

Prof. Dr. rer. soc., Dipl.-Psych. Herta Flor, Inst. für Neuropsychologie und Klin. Psychologie an der Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim

Prof. Dr. Victoria M. Follette, University of Nevada, Reno Department of Psychology, USA

Prof. Dr. Berthold Gersons, Universiteit van Amsterdam AMC Psychiatrie, Niederlande

Prof. Dr. Onno van der Hart, Department of Clinical Psychology University of Utrecht, Niederlande

Dr. med. Arne Hofmann EMDR-Institut Deutschland, Bergisch-Gladbach

Dipl.-Psych. Eva van Keuk, Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge, Düsseldorf

Dr. phil. Christine Knaevelsrud, Behandlungszentrum für Folteropfer, Berlin

Prof. Dr. Alfred Lange, University of Amsterdam Department of Clinical Psychology, Niederlande

Peter Liebermann, Hermann-Oppenheim-Institut für Psychotraumatologie, Leverkusen

Prof. Dr. med., Dipl.-Psych. Michael Linden, Forschungsgr. Psychosomat. Rehabil. an der Charité Berlin und Abt. Verh.therapie/Psychosomatik am Rehabil.zentrum Seehof in Teltow

Dr. Markos Maragkos, Ludwig-Maximilians-Universität Department Psychologie, München

Dr. med. Helga Mattheß, Duisburg

Dr. Candice M. Monson, Women's Health Sciences Division, National Center for PTSD, Boston, USA

Dr. phil. Ellert Nijenhuis, GGz DREenthe, Assen, Niederlande

Dr. Dipl.-Psych. Burkhard Peter, Milton-Erickson-Gesellschaft für Klinische Hypnose, München

Jennifer C. Plumb, University of Nevada, Reno Department of Psychology, Nevada, USA

Barbara Schippan, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, BfA-Klinik Seehof, Teltow bei Berlin

Prof. Dr. Paula P. Schnurr, National Center for PTSD, Executive Division, VA Medical Center, USA

Prof. Dr. med. Ulrich Schnyder, Universitätsspital Zürich, Psychiatrische Poliklinik, Zürich, Schweiz

Dipl. Soz.-Päd., Dipl. theol. Jürgen Soyer, Refugio München

Kathy Steele, MN, CS, Metropolitan Psychotherapy Associates, Atlanta, USA

Dr. Susan P. Stevens, Women's Health Sciences Division VA National Center for PTSD VA Boston Healthcare System, USA

Dr. med. Kornelia Sturz, Klinik für Psychosomatische Medizin, Klinik Schwedenstein, Pulsnitz

Prof. Richard Tedeschi, University of North Carolina at Charlotte Department of Psychology, USA

Dr. med. Michèle Wessa, Inst. für Neuropsychologie und Klein. Psychologie, Univ. Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim

Dipl.-Psych. Tanja Zöllner, Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck. Prien

 

Das Programm des Buches formulieren die Herausgeber in ihrem Vorwort:
»Am wichtigsten für ein neues repräsentatives Buch erschienen uns drei Prinzipien: Die Beiträge sollten den aktuellen Wissensstand und zwar insbesondere in den Grundlagenkapiteln widerspiegeln. Die Beiträge sollten einen kurzen Einblick in die etablierten Behandlungsmethoden geben und natürlich auch hier den aktuellen Stand abbilden, und es sollten Interventionen oder Interventionsbereiche dargestellt werden, die in den üblichen Lehrbüchern bisher eher vernachlässigt wurden. Kurzum, das Buch sollte sowohl etwas für die Beginner im Bereich der Traumatologie sein als auch für diejenigen, die dem Gebiet seit längerem nahe stehen und die sich für die neuesten Forschungsergebnisse oder besondere Anwendungsgebiete wie etwa die stationäre Traumatherapie oder die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit interessieren.«

Das Inhaltsverzeichnis annonciert folgende Beiträge, die alle mit Zusammenfassungen bzw. Schlußfolgerungen abschließen, welche hier gleich hinzugefügt werden sollen:

1. Andreas Maercker und Rita Rosner: Was wissen wir über die Posttraumatische Belastungsstörung, und wohin gehen zukünftige Entwicklungen? Zur Psychologie der Traumafolgestörungen

     Zusammenfassung:

  • Trotz fundierter Kritik überwiegen die positiven Aspekte der Diagnose PTBS.
  • Aktuell kommt es zu einer Ausdifferenzierung des Gebietes der Traumafolgestörungen.
  • Lebensbedingungen und soziale Unterstützung nach dem Überleben eines traumatischen Ereignisses tragen relativ am meisten zu der Entstehung bzw. Aufrechterhaltung einer PTBS bei.
  • Das Modell einer dualen Gedächtnisrepräsentation in explizites und implizites System weist die beste Passung mit den aktuellen neurobiologischen Befunden und den Symptomen einer PTBS auf.
  • Traumatherapie ist methodenintegrativ und beinhaltet, angepasst an Lebenssituation und Bedürfnisse des Patienten, Stabilisierungs- und Konfrontationsanteile.
    (S. 17)

2. Michèle Wessa und Herta Flor: Psychobiologische Perspektiven und Therapiekonsequenzen

     Zusammenfassung der Befunde:

  • Strukturelle Bildgebung: PTBS-Patienten weisen in einigen Studien ein reduziertes Hippokampusvolumen im Vergleich zu Traumatisierten ohne PTBS und gesunden Kontrollprobanden auf.
  • Funktionelle Bildgebung: PTBS-Patienten weisen im Vergleich zu traumatisierten und gesunden Kontrollpersonen eine Überaktivierung der Amygdala, aber eine Unteraktivierung präfrontaler Strukturen auf die Präsentation traumarelevanter und generell negativer Reize auf.
  • Hormonelles Streß-System: PTBS-Patienten zeigen eine erhöhte Aktivität des noradrenergen Stress- Systems. Dagegen ist bei PTBS-Patienten eine niedrigere Cortisolausschüttung bei erhöhter Sensitivität der Glucocorticoidrezeptoren zu beobachten.
  • Therapiekonsequenzen: Studien zu strukturellen Veränderungen nach pharmakologischer Therapie konnten eine Steigerung des Hippokampusvolumens um 6% und eine Symptomverbesserung um ca. 50 % feststellen. Eine Einzelfallstudie konnte einen Anstieg des basalen Cortisolspiegels nach EMDR-Therapie beobachten.
    (S.24)

3. Boris Drozdek: Interkulturelle Traumabehandlung: Eine Rückkehr zu den Grundlagen oder eine Erweiterung der Grenzen des Berufsstandes?

    Zusammenfassung:

  • Über Kulturen hinweg gleichen sich die Hauptsymptome der PTBS mehr, als dass sie sich unterscheiden.
  • Das Konzept der PTBS muss erweitert werden und auch kultur-relevante Aspekte umfassen.
  • Kultur beeinflusst:
    • das individuelle Verständnis von Leiden,
    • das Aufstellen einer Problemhierarchie,
    • das Verständnis von traumatischen Ereignissen,
    • die klinische Manifestation,
    • die Suche nach Hilfe,
    • die Beziehung zwischen Therapeut und Patient.
  • Interkulturelle Traumabehandlung
    • Schaffung von Sicherheit: Behandlungsumgebung, Einstellungen des Therapeuten, kulturelle Sensitivität.
    • Diagnose: westliche Diagnosekategorien sind nicht immer angemessen in nicht-westlichen Kulturen, die Instrumente müssen zunächst validiert und standardisiert werden.
    • Behandlung: Kombination verbaler und auf Erfahrung beruhender Therapieformen. Fokussierung sowohl der Beeinträchtigungen als auch der salutogenetischen Aspekte (empowerment), das Eintreten für den Patienten ist oft gefordert. Das Hinzuziehen eines (offiziellen) Übersetzers ist häufig notwendig.
  • Für den Behandlungserfolg ist die Einstellung des Therapeuten wichtiger als die Wahl der Behandlungsmethode.
    (S. 35)

4. Tanja Zöllner, Lawrence G. Calhoun und Richard G. Tedeschi: Trauma und persönliches Wachstum

Zusammenfassende Diskussion:

Die meisten Studien finden keinen systematischen Zusammenhang zwischen Berichten posttraumatischer Reifung und psychischer Anpassung. Einige wenige Studien finden einen positiven, andere einen negativen Zusammenhang. Allerdings sind die meisten vorliegenden Studien zu diesem Thema Querschnittsuntersuchungen, was die Interpretation der Ergebnisse grundsätzlich problematisch gestaltet. Längsschnittuntersuchungen finden häufig einen negativen Zusammenhang zwischen Berichten posttraumatischen Wachstums und psychischen Beschwerden, was als Beleg für eine adaptive Signifikanz von persönlicher Reifung gelten könnte. .... Die uneinheitliche empirische Lage lässt sich zum einen damit erklären, dass die zur Erfassung des Phänomens eingesetzten Methoden der Komplexität desselben nicht gerecht werden. Zum anderen kann das uneinheitliche Bild mit einigen Annahmen, die unter anderem auch in dem Modell von selbstberichteter posttraumatischer Reifung als Janus-Gesicht (Maercker u. Zoellner 2004) ausformuliert wurden, erklärt werden: Unterschiedliche kognitive (und emotionale) Prozesse sind bei unterschiedlichen Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Traumabewältigungsprozesses bei der Selbstwahrnehmung posttraumatischer Reifung beteiligt. Selbstberichtete posttraumatische Reifung kann unterschiedliche Funktionen haben, die jeweils in anderer Weise mit Indices psychischer Gesundheit in Zusammenhang stehen. Bei einigen Individuen sind die berichteten positiven persönlichen Veränderungen reale und tatsächlich lebensverändernde Folgen der Auseinandersetzung mit dem Trauma. Für andere ist das Berichten positiver Veränderungen eher eine Art Selbstberuhigungsstrategie im Umgang mit anhaltendem psychischem Leid. Bei manchen Betroffenen geht dies möglicherweise auch mit der Verleugnung negativer Traumafolgen einher. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Erfahrung von posttraumatischem Wachstum einen differenziellen Zeitverlauf hat. Bei bisherigen Forschungsbemühungen wurden solche Differenzierungen jedoch nicht berücksichtigt.
(S. 43)

5. Guido Flatten: Stand der psychodynamischen Psychotherapie der PTBS

Ergebnisse und Schlußfolgerungen:

Die Psychodynamische Traumatherapie basiert auf einem tiefenpsychologischen Verständnis der Persönlichkeitsentwicklung und unterscheidet aufgrund der unterschiedlichen innerpsychischen Wirksamkeit schicksalhafte Ereignisse wie Unfälle und Katastrophen von komplexen Beziehungstraumatisierungen, die, abhängig vom Lebensalter zum Zeitpunkt der Traumatisierung. zu einer erheblichen Persönlichkeitspathologie führen können.
Der Verlauf und das Erscheinungsbild der Posttraumatischen Belastungsstörung wird wesentlich geprägt durch traumatypische Abwehrmechanismen und deren psychophysische Folgesymptomatik. Besondere Bedeutung haben hier
> das Wechselspiel intrusiver und konstriktiver Symptome,
> die Identifikation des Opfers mit dem Aggressor,
> die Introjektion von Täteranteilen,
> dissoziative Früh- und Spätreaktionen,
> der Wiederholungszwang mit der Gefahr der Re-Viktimisierung.
Das 3-phasige Konzept der psychodynamischen Traumatherapie unterscheidet die Stufen
> Stabilisierung,
> Traumabearbeitung und
> psychosoziale Re-Integration.
Bezüglich des Methodeninventars integriert ein psychodynamischer Gesamtbehandlungsplan
> spezifisch psychodynamische Techniken unter besonderer Gewichtung von
   Beziehungsgestaltung, Übertragungsphänomenen, Ressourcenorientierung und
   Psychoedukation,
> imaginative Techniken zur Affektregulierung und Kontrolle intrusiver Zustände,
> spezifisch traumabearbeitende Techniken wie Screentechnik und EMDR,
> ein allgemeines psychodynamisches Behandlungsangebot zur Unterstützung der
   psychosozialen Re-Integration.
Viele Befunde der modernen neurobiologischen Forschung zeigen eine gute Übereinstimmung mit psychodynamischen Grundannahmen und ermöglichen so zunehmend eine störungsspezifische Behandlungsplanung.
(S. 66/67)

6. Arne Hofmann und Peter Liebermann: Die EMDR-Methode in der Behandlung psychisch Traumatisierter

Kosten und Nutzen bei der EMDR-Methode im Vergleich:

Psychotherapie gerade von traumatisierten Menschen ist nicht nur ethisch geboten. sondern auch nachweislich ökonomisch sinnvoll. Auch wenn sich sicher nicht alle Aspekte der Diskussion so erfassen lassen, kann man doch bezüglich der EMDR-Methode festhalten, dass sich diese Methode als eine der effektivsten und auch in der regulären Versorgung zeitlich am wenigsten aufwendige Behandlungsmethode für die Posttraumatische Belastungsstörung erwiesen hat (Marcus. Marquis et a11997; Scheck. Schaeffer et al. 1998; Van Etten u. Taylor 1998).
(S. 72)

7. Ulrich Schnyder und Berthold P. R. Gersons: Brief Eclectic Psychotherapy - ein integrativer Behandlungsansatz

Ergebnisse und Schlußfolgerungen:

Der integrative Ansatz der Brief Eclectic Psychotherapy für posttraumatische Belastungsstörungen integriert psychodynamische, kognitiv-behaviorale, direktive sowie humanistische Therapiebestandteile. Er wurde in den Niederlanden entwickelt. Seine fünf Phasen lassen sich folgendermaßen kurz kennzeichnen:
1. Psychoedukation: Mit den Patienten wird das Zusammenspiel zwischen traumatischem Ereignis und den PTBS-Symptomen anhand eines kognitionstheoretischen Erklärungsmodells ausführlich erörtert.
2. Exposition durch Imagination (Exposition in sensu): Hier geht es darum, dass die Patienten die volle Schrecklichkeit ihrer traumatischen Momente noch einmal empfinden und die Geschehnisse in sämtlichen Einzelheiten im Sinne einer Karthasis noch einmal intensiv nacherleben.
3. Schreibaufgaben und Erinnerungsobjekte: Eine wichtige Aufgabe ist das Verfassen von so genannten Fortsetzungsbriefen, die dazu dienen, negativen und aggressiven Gedanken freien Lauf zu lassen. Dazu tritt die Arbeit mit Erinnerungsobjekten, d. h. Gegenständen, die konkret oder symbolisch an das traumatische Erlebnis erinnern.
4. Bedeutung und Integration: In dieser Phase geht es darum, dem traumatischen Ereignis eine Bedeutung zu verleihen und sich mit der Selbsteinsicht über das Geschehene und dem Umfeld im weitesten Sinne auseinanderzusetzen.
5. Abschiedsritual: Ein letztes Mal werden intensive Gefühle wie Trauer oder Aggression ausgedrückt - diesmal in Anwesenheit einer Person, die dem Patienten nahe steht. Die Patienten entscheiden selber zusammen mit einem Partner oder engen Vertrauten, welches Ritual für sie das passende ist.
(S. 84/85)

8. Markos Maragkos, Rita Rosner und Will/i Butollo: Ein integrativer Ansatz zur Behandlung der PTBS: Kombination von Gestalttherapie und Verhaltenstherapie

Zusammenfassung:

> In diesem Kapitel wird ein integratives Therapieverfahren für die Behandlung von PTBS vorgestellt, das humanistische (prozesserfahrungsorientierte/gestalttherapeutische) und verhaltenstherapeutische Elemente miteinander kombiniert.
> Obwohl prozesserfahrungsorientierte Ansätze nicht zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren gehören und wenig im universitären Rahmen vertreten sind, zeigen empirische Studien, dass sie bei der Behandlung von PTBS-Patienten wirksam sind.
> Psychische Traumatisierung wird als Erfahrung mit einer existenziellen Dimension verstanden. Betroffen ist das Selbst des Menschen. Das Selbst wird als dialogisch konzeptualisiert, da es - nach diesem Ansatz - Ergebnis einer Interaktion mit der äußeren und inneren Welt des Menschen ist.
> Entsprechend dem phasenhaften Verlauf einer psychischen Traumatisierung unterscheidet auch das hier vorgestellte integrative Therapiemodell mehrere Phasen, die sich in der Praxis überlappen können: Sicherheit, Stabilität, Konfrontation und Integration.
> In den Phasen der Konfrontation und Integration kommt die Technik der "dialogischen Exposition" zu Anwendung. Auf der "Leerer-Stuhl-Arbeit" der Gestalttherapie fußend, kann der traumatisierte Patient mit seinen verschiedenen Selbst-Anteilen (sicherer, verängstigter, traumatisierter, Täter-Anteil etc.) in Kontakt treten und so an der Wiederherstellung seines durch die traumatische Erfahrung fragmentierten Selbst arbeiten.
(S. 101)

9. Candice M. Monson, Susan P. Stevens und Paula P. Schnurr: Kognitive Verhaltenstherapie für Paare

Schlußbemerkung:

Es ist an der Zeit, neben der traditionellen interpersonalen Konzeptualisierung zu einem systemischeren Verständnis der PTBS zu gelangen. Die folgenreichen und ernsten Partnerschaftsprobleme, die mit der PTBS in einer komplexen und wechselseitigen Beziehung stehen, sind mittlerweile bekannt. Eine intime Beziehung kann helfen, die Entstehung einer PTBS abzuwenden, ihre Belastungen aufzufangen und als zentrales Moment bei ihrer Behandlung zu fungieren. Die vorläufigen, aber viel versprechenden Ergebnisse der KVT-P bei PTBS betonen die potenziell heilende Kraft von Partnerschaften im Rahmen des Gesundungsprozesses der PTBS-Erkrankten.
(S. 115)

10. Christine Knaevelsrud und Alfred Lange: Interapy - eine Internet-basierte Behandlung für PTBS

Schlußfolgerung:

Die bisherigen Forschungsergebnisse haben die Wirksamkeit von Interapy bei posttraumatischen Belastungsreaktionen zuverlässig nachgewiesen. Interapy ist ein Verfahren, dass gute Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt. In den Niederlanden ist Interapy -inklusive der standardisierten Qualitätskontrolle anhand von Fragebögen - bereits integrierter Bestandteil der psychotherapeutischen Regelversorgung. Dennoch besteht noch erheblicher Forschungsbedarf zur Wirksamkeit einzelner Therapiekomponenten und deren optimaler Kombinierbarkeit. Auch die Relevanz und Entwicklung der therapeutischen Beziehung im Internet ist bisher noch weitestgehend unerforscht. Allerdings zeigen die Ergebnisse von Interapy, dass auch über das Internet eine positive und stabile therapeutische Beziehung mit traumatisierten Patienten hergestellt werden kann.
(S. 127)

11. Jennifer C. Plumb und Victoria M. Follette: Akzeptanz-und-Commitment-Therapie für Traumaüberlebende

Schlußfolgerungen:

Wir hoffen, dass dieses Kapitel als Grundlage dazu dienen kann, Therapeuten einen Einblick in den ACT-Ansatz zu geben und ihnen dabei zu helfen, diese Therapie bei Patienten mit einer traumatischen Vorgeschichte anzuwenden. Wir wünschen uns, dass diese Einführung Therapeuten dazu ermutigt, noch weiter über dieses Thema zu lesen (s, Hayes, Gregg u. Wul- fert,1998; Hayes u. Strosahl 2004; Hayes, Wilson u. Strosahl 1999; Hayes. Wilson u. Strohsal 2004) oder weitere Quellen zu nutzen, wenn es um die Anwendung von Metaphern oder experientiellen Übungen geht. Wir hoffen, dass die ausgewählten Aspekte, die wir schildern konnten, dabei helfen festzustellen, auf welchen Strategien bei einer Therapie eine starke Betonung liegen sollte, um eine größtmögliche Förderung des allgemeinen psychischen Funktionierens unserer Patienten zu erreichen. Zusammengefasst lassen sich die wichtigen Komponenten des ACT-Ansatzes hier noch einmal folgendermaßen beschreiben:
1. Herausarbeiten einer kreativen Hoffnungslosigkeit: hier werden individuelle Muster der Vermeidung der Erfahrung des Traumas und seiner Folgen in den Mittelpunkt gestellt.
2. Defusion (Deliteralisietung) und das Finden eines Selbstkontexts: hier wird erarbeitet, was es bedeuten kann, wenn Patienten ihre eigenen Worte und Selbstaussagen zu wort-wörtlich nehmen. Patienten lernen, ihr Selbst distanziert von Worten und Gedanken zu erfahren.
3. Akzeptanz und Arbeit an den Werten: hier wird herausgearbeitet, Erfahrungen annehmen zu können und diese auf eine neue Weise in die eigenen Wertsetzungen im Rahmen der Lebensplanung zu integrieren.
(S. 139/140)

12. Burkhard Peter: Hypnotherapie bei der Behandlung von Posttraumatischer Belastungsstörung

Zusammenfassung:

Hypnotherapie ist zur Behandlung von PTBS gut geeignet. Sie folgt dem Phasenmodell von Pierre Janet:
1. Zur Stabilisierung und Symptomreduktion dienen:
- die Induktion einer hypnotischen Trance zur Konstruktion der Figur des "Unbewussten",
- die Anwendung von hypnotischen Phänomenen u.a. zur Symptomkontrolle,
- die Konstruktion eines "sicheren Ortes",
- die Konstruktion einer Beobachterposition.
2. Zur Modifikation der traumatischen Erfahrungen werden verschiedene modalitätsspezifische, syntaktische und semantische Schritte durchgeführt.
3. Zur Integration und Rehabilitation werden dissoziierte Emotionen wieder reassoziiert.
(S. 155)

13. Onno van der Hart, Kathy Steele, Ellert Nijenhuis und Helga Mattheß: Strukturelle Dissoziation der Persönlichkeit und die Behandlung traumatischer Erinnerungen

Schlußfolgerung:

Die Präsenz von traumatischen Erinnerungen (im Gegensatz zu Erinnerungen an Überwältigende Ereignisse) deutet auf eine dissoziative Aufspaltung der Persönlichkeit in eine oder mehrere gefühlstaube, vermeidende Anteile hin, die sich auf Alltagsaktivitäten konzentrieren, die wir Anscheinend Normale Persönlichkeitsanteile (ANP) genannt haben, und in einen oder mehrere Anteile, die im Trauma mit tierähnlichen Verteidigungsmustern und unsicheren Bindungsmustern fixiert sind und Emotionale Persönlichkeitsanteile (EP) genannt wurden. Die Behandlung der traumatischen Erinnerungen ist eine schwierige Phase in der Therapie. Zuvor muss es eine gut vorbereitete und gründlich durchgeführte Phase geben, in der emotionale Kapazitäten und Lebensfähigkeiten aufgebaut werden, die die ANPs für die Bewältigung des Alltags stärken und die EPs hindern, sich störend auf die Alltagsfunktionen auszuwirken. Anschließend werden die verschiedenen Phobien systematisch und schrittweise angegangen, einschließlich der Ängste vor der Bindung zum und der Abgrenzung vom Therapeuten, der Phobie vor mentalen Inhalten und der Phobie vor dissoziativen Persönlichkeitsanteilen. Diese Anfangsphase kann kurz oder lang, manchmal aber auch das einzige Ziel der Behandlung sein, jeweils abhängig von dem allgemeinen Funktionsniveau des Patienten. Sobald die Ziele der ersten Phase erreicht wurden. kann die Behandlung der traumatischen Erinnerungen beginnen.
     Das Hauptziel in der Behandlung traumatischer Erinnerungen ist die Integration. Diese Ziele lassen sich abermals unterteilen in Synthese und Realisation, die sich wiederum in Personifikation und Präsentifikation einteilen lässt. All diese Komponenten sollen letztlich zur vollständigen Integration führen, das heißt zur Verschmelzung von ehemals dissoziierten Persönlichkeitsanteilen. Synthese ist die systematische, abgestufte Exposition der Persönlichkeitsanteile mit traumatischen Erinnerungen und gleichzeitigen Maßnahmen gegen erneute Dissoziation oder gegen Vermeidung. Sie sollte nur im Rahmen der Fähigkeiten des Patienten bleiben, Gefühle auszuhalten und Inhalte zu realisieren. Verschiedene hypnotherapeutische und andere Techniken unterstützen den Syntheseprozess. ....
(S. 172/173)

14. Eva van Keuk: Tanz- und Bewegungstherapie bei Posttraumatischer Belastungsstörung am Beispiel traumatisierter Flüchtlinge

Zusammenfassung:

Traumaerinnerungen werden nicht nur kortikal, sondern ebenfalls körperbezogen gespeichert (van der Kolk 1994). Aufgrund dieser Besonderheiten der traumabezogenen Gedächtnisprozesse stellen körperbezogene Interventionen einen wichtigen Bestandteil der Traumatherapie dar und bieten die besondere Chance, biografische Erinnerungen, die kognitiv gehemmt oder vermieden werden, aufzugreifen. In der Therapie mit Traumatisierten ist allerdings die anschließende Verbalisierung des Erlebten von besonderer Bedeutung, um traumatische Inhalte des Furchtgedächtnisses (Amygdala) kortikaler Kontrolle zugänglich zu machen und in das semantische Gedächtnis (Hippokampus) zu transformieren. Der ausschließliche Einsatz von tanz- und bewegungstherapeutischen Methoden ist nur für einen kleinen Teil der Klienten hilfreich. Hingegen hat sich die Integration körperorientierter Verfahren in das übliche psychotherapeutische Verfahren bewährt. In der Traumatherapie empfiehlt sich ein methodenintegratives Vorgehen: Tanz- und Bewegungstherapeuten benötigen klinisches und psychotherapeutisches Wissen, und Psychotherapeuten profitieren wiederum von deren Kompetenz bei bewegungs- und tanztherapeutischen Methoden, z. B. gezielte Interventionen in einzelnen traumatherapeutischen Sitzungen oder auch zum Abschluss einer EMDR-Sitzung bzw. zu Beginn einer Traumatherapie als Ressourcenstärkung. Fernziel ist die Reintegration der fragmentierten Traumaerinnerungen in das Selbstbild. Die Ich-dystonen, schmerzhaften Körperempfindungen der Traumaerinnerungen sollten in das Körperschema integriert und die emotional hoch geladenen, amygdalären Gedächtnisinhalte der Verbalisierung zugänglich gemacht werden.
(S. 191)

15. ornelia Sturz: Integratives psychodynamisches stationäres Therapiekonzept zur Behandlung von Traumafolgestörungen

Zusammenfassung:

  • Traumastörungen müssen mit einer traumaspezifischen Psychotherapie behandelt werden.
  • Die Therapie muss methodenintegrativ, multimodal und ressourcenorientiert sein.
  • Die Therapie muss der Art und Dauer der Traumatisierungen, der Art der Traumafolgeerkrankung und dem Geschlecht angepasst sein.
  • Die Therapie verläuft in drei Phasen und hat zum Ziel, das explizite Gedächtnis für traumatische Erlebnisinhalte zu fördern, diese zu verbalisieren und in die Lebensgeschichte zu integrieren.
  • Traumatherapeutinnen müssen selbsterfahren und traumaspezifisch ausgebildet sein.
  • Das Milieu einer Trauma-Schwerpunkt-Station muss stressarm sein, Reizschutz bieten
  • und von Achtung und Respekt geprägt sein.
  • Eine Frauenstation, Einzelzimmer und ausreichende Rückzugsräume müssen vorhanden sein.
  • Für die Traumabearbeitung müssen die Patientinnen ausreichend stabilisiert sein, es muss genügend Zeit zur Verfügung stehen, und es sollten verschiedene Traumabearbeitungstechniken in sensu und Exposition in vivo angeboten werden.
    (S. 207)

16. Michael Linden, Kai Baumann und Barbara Schippan: Weisheitstherapie - Kognitive Therapie der Posttraumatischen Verbitterungsstörung

Schlussfolgerungen und Ausblick:

Auch scheinbar bagatellhafte Erlebnisse können unter bestimmten Rahmenbedingungen zu dramatischen Konsequenzen führen, in der Chirurgie wie in der Psychopathologie. Zusammenfassend betrachtet, bedeutet dies, dass die Funktionsstörung und nicht der Auslöser diagnostisch wegweisend sind. Gleiches gilt auch für die Therapie. Es geht bei der Weisheitstherapie nicht um eine Lebensberatung und Unterstützung bei der Bewältigung eines Lebenskonflikts. Es geht um die Besserung der Psychopathologie. Dies geschieht auch nicht durch die Erarbeitung von Konfliktlösungen, sondern durch die Förderung psychologischer Funktionen, die erforderlich sind, um eine Konfliktlösung erreichen zu können. Die Weisheitstherapie vermeidet daher auch weitgehend, direkt am Thema des Konflikts zu arbeiten. Stattdessen werden Weisheitsstrategien beispielsweise an Modellproblemen eingeübt. Auch bezüglich der Therapie gilt also, dass die Funktion und nicht der Inhalt das Therapieziel ist, was auch grundsätzlich als Unterschied zwischen Therapie und Beratung gelten kann.
     Zum Schluss ist darauf hinzuweisen. dass sowohl das Konzept der PTED wie die Weis- heitstherapie wissenschaftliche Neuentwicklungen sind. Die hier vorgestellten diagnostischen wie therapeutischen Ansätze müssen daher als vorläufige Entwürfe verstanden werden. Sie basieren auf der klinischen Erfahrung und ersten wissenschaftlichen Untersuchungen. Es wird weiterer Forschung bedürfen, um endgültige Empfehlungen geben zu können.
(S. 226/227)

17. Jürgen Soyer: Sozialarbeiterische Begleitung von traumatisierten Menschen

Ergebnisse:
> Trauma steht immer in einem sozialen Bezugsrahmen.
> Die Soziale Arbeit bietet verschiedene Handlungsweisen als Unterstützung an, damit
   traumatisierte Menschen ihr eigenes rechtes Maß zur Umwelt finden und leben können.
> Dies kann einen therapeutischen Effekt auf diese Menschen haben.
> Eine geplante Kooperation von Psychotherapeuten und Sozialarbeitern ist sinnvoll.
(S. 240)

Bilanzierende Bewertung:
     Wie im Vorwort versprochen, werden sowohl die Leser, die eine Einführung in das Feld der Posttraumatischen Belastungsstörung suchen, wie auch die einschlägigen Experten, die den neuesten Stand der Diskussion vorfinden wollen, bestens bedient. Im ersten Teil wird deutlich, wie sehr noch um das begriffliche und konzeptionelle Verständnis der PTBS gerungen wird, während der zweite Teil dokumentiert, wie die Praxis bereits mit unterschiedlichsten therapeutischen Strategien darauf reagiert. Insgesamt zeigt sich, daß die PTBS wie kaum ein anderes Leiden interdisziplinäre Forschung und schulenübergreifendes Handeln herausfordert.
     Besondere Anerkennung verdient auch die didaktische Gestaltung: übersichtliche Gliederung, gute Lesbarkeit, Nutzung graphischer Stilmittel, ausführliches Literatur- und Sachwortverzeichnis.

Kurt Eberhard  (Sept. 2006)

 

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