FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2008

 



Frederick Rotgers und Michael Maniacci (Hrsg.)

Die antisoziale Persönlichkeit
Therapien im Vergleich: ein Praxisführer

Mit einer Einführung
von Franz Petermann
übersetzt aus dem Englischen
von Sandra Winkel

Verlag Hans Huber (2007)
aus der Reihe »Klinische Praxis«
(274 Seiten, 29,95 Euro)

Die Herausgeber:
Frederick Rotgers
arbeitet als Klinischer Psychologe und Verhaltenstherapeut am Philadelphia College of Osteopathic Medicine, veröffentlichte besonders über die Therapie von Suchtkranken und Persönlichkeitsstörungen.
Michael Maniacci, klinischer Psychologe in der Tradition der Individualpsychologie nach Alfred Adler, arbeitet als Psychotherapeut in privater Praxis in Chicago, publiziert besonders über Methoden der Beratung und Psychotherapie.

Die anderen Autoren:
Elissa M. Ball,
MD, Institute for Forensic Psychiatry, Colorado Mental Health Institute, Pueblo, Colorado
Debra Benveniste, MA, MSW, Private Practice, Putnam, Connecticut
Katherine A. Comtois, PhD, Department of Psychiatry and Behavioral Sciences, University of Washington, Seattle, Washington
Darwin Dorr, PhD, Wichita State University, Wichita, Kansas
Brian Eig, Department of Psychology, Philadelphia College of Ostheopathic Medicine, Philadelphia, Pennsylvania
Carl A. Farbring, MA, Swedish National Prison and Probation Administration, Stockholm, Sweden
Lars Forsberg, PhD, Department of Clinical Neuroscience, Section of Dependency Research, Karolinska Institute, Stockholm, Sweden
Arthur Freeman, EdD, Department of Psychology, University of St. Francis, Fort Wayne, Indiana
Joel I. D. Ginsburg, PhD, C. Psych., Psychologist, Correctional Service of Canada, Fenbrook Institution, Gravenhurst, Ontario, Canada
Robin A. McCann, PhD, Institute for Forensic Psychiatry, Colorado Mental Health Institute, Denver, Colorado
Sharon M. Freeman, PhD, MSN, RN-CS, Indiana University Purdue University, Aboite Behavioral Health Services, Fort Wayne, Indiana
John M. Rathbun, MD, Aboite Behavioral Health Services, Fort Wayne, Indiana
Glenn D. Walters, PhD, Federal' Correctional Institution, Schuylkill, Pennsylvania

Die Hauptüberschriften aus dem Inhaltsverzeichnis:
Franz Petermann: Einführung zur deutschen Ausgabe
1.   F. Rotgers &. M. Maniacci: Die antisoziale Persönlichkeitsstörung: Eine Einführung
2.   A. Freeman: Fallbeispiel: "Frank J."
3.   D. Benveniste: Ein psychodynamischer Ansatz
4.   M. Maniacci: Indvidualpsychologie nach Alfred Adler
5.   D. Dorr: Die biosoziale Lerntheorie nach Millon (Personologische Psychotherapie)
6.   G. Walters: Der Lebenstil-Ansatz zur Behandlung von Substanzmissbrauch und
     Kriminalität
7.   A. Freeman & B. Eig: Der kongitiv behviorale Behandlungsansatz
8.   R. McCann, K. Comtois & E. Ball: Dialektisch-behaviorale Therapie
9.   J. Ginsburg, C. Farbring & L. Forsberg: Motivierende Gesprächsführung
10. S. Freeman,& J. Rathbun: Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie
11. F. Rotgers: Antisoziale Persönlichkeitsstörung – Zusammenfassung und   
     Schlussfolgerungen
Sachregister

In der hilfreichen Einführung des selbst psychotherapeutisch sehr erfahrenen Bremer Hochschullehrers Franz Petermann über die Besonderheiten des Buches:
»Insgesamt fünfzehn wichtige Autoren haben an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt. Das Buch ist jedoch mehr als eine Sammlung von Fachaufsätzen - es verfügt über mindestens drei besondere Merkmale, die es zu einem ungewöhnlichen und lesenswerten Werk machen. Die erste Besonderheit des Bandes liegt in seiner starken Praxisorientierung. Diese ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich das gesamte Buch an einem typischen Fallbeispiel orientiert. Alle Kapitel beruhen auf der ausführlichen Darstellung der Fallgeschichte eines Mannes, der eine antisoziale Persönlichkeitsstörung aufweist ('Frank J.'). Jedes Autorenteam erklärt am Beispiel dieses Falls, wie die Störung aus ihrer Sicht entsteht und wie ein therapeutisches Vorgehen bei diesem Patienten aussehen könnte. …
     Eine zweite Besonderheit des Buches liegt in seiner klaren und einheitlichen Struktur. Die Herausgeber Rotgers und Maniacci haben ihren Autoren nicht nur die Fallgeschichte, sondern auch ein einheitliches Schema aus Leitfragen vorgelegt, um ihre Beiträge zu strukturieren. Alle Kapitel gliedern sich in die Teile «Vorstellung des Behandlungsmodells», «Wesentliche therapeutische Fertigkeiten» und «Spezifische Fragen» zum Vorgehen bei der Behandlung. Diese wiederkehrende Struktur ermöglicht es dem Leser, sich in jedem Kapitel leicht zu orientieren und einzelne Aspekte - zum Beispiel Antworten auf einzelne Teilfragen - direkt miteinander zu vergleichen. ….. Damit wird das Buch seinem Anspruch gerecht, unterschiedliche therapeutische Ansätze nicht nur vorzustellen, sondern auch miteinander zu vergleichen. In seiner abschließenden Zusammenschau greift Rotgers daher auch noch einmal die wichtigsten Aspekte jedes Behandlungsansatzes auf und stellt die Modelle einander gegenüber. …
     Dieser Aspekt führt uns zur dritten Besonderheit dieses Buches. Die acht Autorenteams entstammen ganz unterschiedlichen Schulen und stellen in den einzelnen Kapiteln ihre eigenen, teilweise sehr persönlichen Sichtweisen vor. Trotz der identischen Grundstruktur und der einheitlichen Orientierung an demselben Fallbeispiel wirkt daher jedes Kapitel einzigartig, da die gleichen Aspekte stets aus einer völlig neuen Perspektive erhellt werden. Die Auswahl der theoretischen Sichtweisen wurde von den Herausgebern nach dem Gesichtspunkt getroffen, ein möglichst breites Spektrum therapeutischer Ansätze - von psychodynamischen über eklektizistische bis hin zu kognitiv-behavioralen Ansätzen -abzudecken. Es ging ihnen dabei weniger um das Ziel, alle vorhandenen Therapierichtungen vollständig abzubilden - dies wäre im Rahmen dieses Bandes nicht möglich gewesen - als darum, eine möglichst vielfältige Auswahl bereitzustellen und damit dem Anspruch des Buches, ganz unterschiedliche therapeutische Ansätze zu vergleichen, gerecht zu werden.«

Die von Petermann erwähnten Leitfragen für die Autoren lauten:
I.
Bitte beschreiben Sie das Behandlungsmodell auf höchstens drei bis vier Seiten.
II. 
Welche klinisch-praktischen Fertigkeiten oder Eigenschaften des Therapeuten sind aus Ihrer Sicht für den Behandlungserfolg bei Ihrem Ansatz am wichtigsten (ein bis zwei Seiten)?
III.
Für die Ziele dieses Buches ist es wichtig, dass Sie jede der folgenden Fragen in Bezug auf das beigefügte Fallbeispiel beantworten. Bitte beschränken Sie Ihre Antwort auf jede Frage auf höchstens zwei Seiten.

1. Welche therapeutischen Ziele würden Sie für diesen Patienten formulieren? Welches ist das vorrangige Ziel? Welches ist das zweitwichtigste Ziel? Bitte antworten Sie so spezifisch wie möglich.

2. Welche weiteren Informationen würden Sie sich wünschen, um die Behandlung des Patienten strukturieren zu können? Gibt es spezielle diagnostische Verfahren, die Sie verwenden würden bzw. Daten, die Sie erheben würden? Wie würden Sie die Auswahl dieser Verfahren begründen?

3. Wie beurteilen Sie die Persönlichkeit dieses Patienten, sein Verhalten, seinen affektiven Zustand und seine Art zu denken?

4. Welche potenziellen Probleme oder Fallstricke würden Sie bei der Therapie erwarten? Welcher Art wären die Schwierigkeiten und worin könnten die Ursachen dafür liegen?

5. Welchen Grad an Bewältigung oder Anpassung oder welches Funktionsniveau könnte der Patient aus Ihrer Sicht als unmittelbare Folge der Therapie erreichen? Welches Resultat würde sich langfristig nach der Beendigung der Therapie ergeben (Prognose für adaptive Veränderungen)?

6. Wie lange sollte die Therapie dauern? Mit welcher Häufigkeit sollten Sitzungen stattfinden und wie lange sollten diese dauern?

7. Gibt es spezielle Techniken, die Sie in der Therapie einsetzen würden? Wie würden diese aussehen?

8. Gibt es spezielle Vorsichtsmaßnahmen, die bei der Arbeit mit diesem Patienten beachtet werden sollten (z. B. Gefahr für die eigene Person oder andere Personen, Übertragung, Gegenübertragung)? Erwarten Sie spezielle Widerstände oder Hindernisse und wie würden Sie damit umgehen?

9. Gibt es Themenbereiche, die Sie in der Therapie mit diesem Patienten nicht ansprechen oder bearbeiten würden? Aus welchem Grund?

l0. Wäre eine Medikation bei diesem Patienten empfehlenswert? Welchen Effekt würden Sie von einer Medikation erwarten bzw. erhoffen?

11. Welche Ressourcen des Patienten könnten in der Therapie genutzt werden?

12. Wie würden Sie die Themen 'Grenzen', 'Beschränkungen' und 'Grenzen setzen' bei diesem Patienten angehen?

13. Würden Sie wichtige andere Personen in die Behandlung einbinden? Würden Sie bei diesem Patienten Hausaufgaben einsetzen? Welche Art von Hausaufgaben würden Sie wählen?

14. Welche Aspekte müssten bei der Beendigung der Therapie beachtet und angesprochen werden? Wie würden Sie die Beendigung der Therapie organisieren und Rückfallen vorbeugen?

15. Welches wären aus Ihrer Sicht die erhofften Veränderungsmechanismen bei diesem Patienten (in der Reihenfolge ihrer relativen Wichtigkeit)? (S. 25/26)

Die folgenden Kapitel enthalten die nach diesen Fragen gegliederten und sehr aufschlussreichen Konzepte der Therapeuten (vgl. Hauptüberschriften aus dem Inhaltsverzeichnis).

Aus dem letzten Kapitel sollen die Schlussfolgerungen von Frederick Rotgers zitiert werden:
»Es scheint eindeutig, dass über die einzelnen Ansätze der Autoren hinweg eine Reihe gemeinsamer Herangehensweisen für die Arbeit mit Patienten wie Frank erkennbar wird, trotz der bedeutsamen theoretischen Unterschiede hinsichtlich der Begründung für ihre Anwendung. Erstens ist der Aufbau einer funktionierenden therapeutischen Beziehung unabdingbar. Diese sollte auf Empathie, Respekt vor Franks Person und der Fähigkeit des Therapeuten beruhen, Frank objektives und nicht wertendes Feedback über sein Verhalten zu geben.
     Alle unsere Autoren betonten außerdem, dass Frank neue Denk- und Verhaltensweisen erlernen sollte, die ihn anderen Menschen näher bringen könnten, statt die Kluft zwischen Frank und dem Rest der Welt noch weiter zu vergrößern. So würde ein Schwerpunkt darauf gelegt, Frank dabei zu helfen, sich selbst als Mitglied einer größeren Gemeinschaft anderer Menschen zu sehen, deren Gefühle ebenfalls wichtig sind. Er selbst könnte sich dann dafür entscheiden, mit ihnen entweder produktive, kooperative Beziehungen einzugehen oder aber sich ihnen als Gegner zu nähern.
     Irgendeine Form von Fertigkeitentraining bildet einen Bestandteil der Modelle aller Autoren, vor allem im Kontext der Rückfallprävention, mit der einzigen Ausnahme des (zumindest im Hinblick auf unmittelbare therapeutische Ziele) begrenzteren Ansatzes der motivierenden Gesprächsführung.
     Schließlich stimmen unsere Autoren weitgehend darin überein, dass Strukturen, Grenzen und Beschränkungen wesentliche Bedingungen einer erfolgreichen Therapie mit Frank darstellen würden.
     Diese Sichtweisen entsprechen in hohem Maße den Ergebnissen aus der Forschung zur Behandlung krimineller Straftäter, einer Population, in der sich viele Menschen befinden, die die Kriterien einer antisozialen Persönlichkeitsstörung erfüllen. Befunde aus dieser speziellen Forschungsrichtung (Ross und Gendreau,1980) zeigen, dass hoch strukturierte Behandlungsformen mit eindeutigen Grenzen und Beschränkungen, die respektvoll und empathisch, aber dennoch fest und konsequent durchgeführt werden und die Fertigkeiten- und Problemlösetrainings beinhalten, die besten Ergebnisse bewirken. …« (S. 264/265)

Bilanzierende Bewertung:
Die Idee, einen ausführlich dargestellten Fall einer antisozialen Persönlichkeitsstörung vorzugeben und von Therapeuten unterschiedlicher wissenschaftlicher Herkunft nach einem vorgegebenen Fragenkatalog bearbeiten zu lassen, um dann im rückblickenden Vergleich die Gemeinsamkeiten und Differenzen zu beleuchten, macht die konkurrierenden diagnostischen und therapeutischen Ansätze sehr klar, und es ist überraschend, dass man sich als Leser mit den verschiedenen Sichtweisen weitgehend identifizieren kann, obwohl sie aus ziemlich gegensätzlichen Schulen stammen.
Dieses Buch ist für alle Psychotherapeuten in Praxis, Aus- und Fortbildung eine sehr anregende und lehrreiche Lektüre.

Kurt Eberhard  (März, 2008)

 

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