FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2001

 

Petra Gerster, Christian Nürnberger

Der Erziehungsnotstand -
Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten

Rowohlt Berlin, 2001

 

Vorbemerkung: Die Rezension dieses Buches ist ein weiterer Beitrag zur Diskussion über die Erziehungskrise in unserer Republik, die wir mit der Vorstellung und Besprechung der Kontroverse zwischen Susanne Gaschke und Elke Buhr Anfang September begonnen haben.
C.M. (Okt. 01)


Nach der ’Erziehungskatastrophe’ von Susanne Gaschke nun der ’Erziehungsnotstand’ von Petra Gerster und Christian Nürnberger (kurz nach dem Erscheinen bereits auf den vorderen Plätzen der SPIEGEL-Bestsellerliste). Wieder sind es nicht Erziehungswissenschaftler, sondern Journalisten, die sich dieses schicksalträchtigen Themas annehmen. Sie schreiben aus eigener Betroffenheit als Eltern zweier Kinder, nutzen dann aber ihr journalistisches Handwerkszeug, ihre präzise Beobachtungsgabe und treffsichere Sprache.

„Ungefähr zu jener Zeit, als wir versuchten, unseren Sohn vom Videospiel abzubringen, hörten wir wieder die Fanfare. Sie schrillt immer öfter. Ihr Ton ist uns gut vertraut, ihre Melodie eher schlicht, der Pegel aber immer am Anschlag. Gestoßen wird die Fanfare von den Herren der Wirtschaft und ihren Vertretern.“
(S. 19)

„Lange zuvor schon hatten Schüler, Lehrer und Eltern gegen Unterrichtsausfall, Lehrermangel und schlechte Bildung und Ausbildung demonstriert und jahrelang auf die Reformbedürftigkeit unseres Bildungswesens hingewiesen. Ohne jegliches Echo. Mindestens zwanzig Jahre lang haben sich Politiker und die Öffentlichkeit nicht dafür interessiert, was eigentlich in den Schulen los ist. Erst als Herr Hundt trompetete, nahmen auch die Medien wahr, dass unser Bildungssystem marode ist.“ (S. 20)

„Kaum hatte Herr Hundt sich geäußert, überraschte Frau Bulmahn uns mit dem Plan, jeden Schüler mit einem Laptop zu beglücken.“ (S.22)

„Was uns dagegen Sorgen macht, sind beängstigende Berichte aus unseren Kindergärten und Schulen - Meldungen über sprachgestörte Kinder, ausgebrannte Lehrer, verhaltensauffällige Schüler, disziplinlose Schulklassen und gewalttätige Jugendliche.“ (S. 21)

„Viele Kinder werden heute nicht mehr erzogen. Viele Eltern sind unfähig, nicht willens oder - wegen Berufstätigkeit - nicht in der Lage, ihre Kinder zu erziehen. Und eine wachsende Zahl von Eltern scheint ihre Gleichgültigkeit und Nicht-Erziehung mit Liberalität und Toleranz zu verwechseln. Die an Geld-, Zeit- und Lehrermangel leidenden Schulen sind überfordert in dem Bemühen, das Versäumte auszubügeln, oder bemühen sich erst gar nicht darum.“ (S. 27)

Im Hauptteil des Buches werden die verschiedenen Felder der Erziehungsmisere sehr informativ und scharfsinnig beleuchtet: der Krisenherd Familie, der Krisenherd Schule, der Einfluß des Fernsehens, der Computertechnologie und des Internets, die ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen.

Im letzten Kapitel - “Mut zur Erziehung“ - gelangen die Autoren nach ganz ähnlichen Diagnosen zu fast denselben Schlußfolgerungen wie Susanne Gaschke, deren Buch sie noch gar nicht kennen konnten:

„Niemand will zurück zur schwarzen Pädagogik, und deshalb dürfen wir, drei Jahrzehnte nach 68, wieder unbefangen eine Tatsache akzeptieren: Erziehung funktioniert nicht ohne Sekundärtugenden. Sie sind kein Wert an sich, aber nötig. Jede Sekundärtugend ist immer genau so viel wert wie das Ziel, dem sie dient. Lernen klappt nicht ohne ein Mindestmaß an Fleiß und Disziplin und Ordnung. Insofern diese Sekundärtugenden also dem Lernen dienen, sind sie genauso wertvoll wie das Lernen selbst. Zur Bildung gehört, dass man dem anderen Achtung und Respekt entgegenbringt. Darum lässt man niemanden warten. Deshalb bezieht Pünktlichkeit ihren Wert aus der Achtung des anderen. Es geht also nicht um eine Rückkehr zu Zucht und Ordnung, auch nicht so sehr um die Frage, wann genau Kinder im Bett zu liegen haben und wie hoch das Taschengeld sein darf, sondern es geht um die Frage, auf welche Ziele hin wir erziehen sollen. Es geht um unsere Werte.“ (S. 261)

Und wie bei Gaschke kommt die Frage, was Kinder in der frühen Kindheit an verläßlicher Geborgenheit und dualer Liebe brauchen, damit Erziehung überhaupt greifen kann, viel zu kurz.

Auf die Konterattacke von Elke Buhr dürfen wir bereits gespannt sein.
Kurt Eberhard (Okt. 01)

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