FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2001

 

Jerome Kagan

Die drei Grundirrtümer der Psychologie

Beltz-Taschenbuch, Weinheim, Basel, 2000

 

 


Unter dem provokanten Titel ‘Die drei Grundirrtümer der Psychologie’ kritisiert der Entwicklungspsychologe Kagan die Erstarrung der Sozial- und Verhaltenswissenschaften, die in den letzten beiden Jahrzehnten ohne wesentliche theoretische und methodische Fortschritte geblieben seien. Maßgeblich dafür seien drei irrige Grundüberzeugungen:

„Der erste Irrglaube ist, dass sich die meisten psychischen Prozesse beliebig verallgemeinern lassen (S. 7) ....Eine zweite verführerische Grundannahme, die unter Forschern des menschlichen Verhaltens verbreitet ist, beruht auf dem Kindheits-Determinismus, der behauptet, dass bestimmte Erfahrungen der ersten beiden Lebensjahre für immer bewahrt bleiben.“(S. 10)

Die dritte irrtümliche Grundannahme sei, „....dass die meisten menschlichen Handlungen sinnliche Befriedigung zum Ziel haben.“(S. 15)

Andererseits bestreitet er nicht die destruktiven Wirkungen frühkindlicher Deprivation:

„Kinder, die vernachlässigt wurden, sind offensichtlich nicht so aufgeweckt, der Sprache mächtig und begeisterungsfähig wie diejenigen, die mit verlässlicher Liebe, Zuwendung und spielerischen Anregungen aufgewachsen sind.... Es ist ungerecht, ungebildeten Müttern, die in Armut leben, einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie nicht so oft mit ihren Kindern spielen und sprechen, wie sie es sollten.... Das Problem ist ihr mangelndes Bewusstsein dafür, dass sie sich tätig am Wachstum ihrer Kinder beteiligen können; viele von ihnen überlassen alles dem Schicksal.“(S. 14)

Indem Kagan Bildungsmangel und Armut eine dominante Bedeutung für die Entstehung von Dissozialität und Delinquenz beimisst, zeigt er selbst eine gewisse Neigung zu vorschnellen Verallgemeinerungen.

"Man stelle sich folgendes fiktive Experiment vor. Eine Gruppe von 500 Müttern mit unzureichender Schulbildung, die in Armut leben, sprechen und spielen vier Stunden am Tag mit ihren Kindern, während eine Gruppe von 500 berufstätigen Müttern, die einen höhere Schulbildung haben und in wirtschaftlichem Wohlstand leben, nur 20 Minuten am Tag mit ihren Kindern spielen und sprechen. Ich bin mir sicher, dass mehr Kinder aus der ersten Gruppe den Schulabschluss nicht schaffen oder eine Zeit im Gefängnis verbringen werden, während mehr Kinder aus der zweiten Gruppe sich beruflich qualifizieren werden....."(S. 130)

Armut und Bildungsmängel stellen zwar wissenschaftlich anerkannte Risikofaktoren dar, gelten aber weder als hinreichende noch als notwendige Bedingungen für Deprivationserscheinungen. Kagan kommt aber schließlich doch zu Konsequenzen, wie sie auch die von ihm attackierten Entwicklungspsychologen ziehen:

„Viele Kinder armer Familien in den Städten sind unzureichend auf den Schulbesuch vorbereitet. Manche kennen keinerlei Buchstaben; manchen ist nie eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen worden. Viele dieser Kinder haben große Probleme mit dem Lesenlernen, und diejenigen, die es bis zur fünften Klasse nicht gelernt haben, stehen in der Gefahr, als Jugendliche straffällig zu werden. Jeder stimmt der Notwendigkeit zu, dass zum Nutzen dieser Kinder eingegriffen werden sollte, lange bevor sie zur Schule kommen....“ (S.127)

Leider bietet er nicht die dafür geeigneten und empirisch bewährten Interventionsstrategien ebensowenig wie das „dramatisch die Psychologie verändernde Gedankenmodell“.

Christoph Malter (März 01)

 

 

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