FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

 PFLEGEELTERNSCHULE BADENWÜRTTEMBERG E.V.
BGH Urteil zu Pflegekindern – Stellungnahme
der Pflegeelternschule

 

Die Geschichte der drei Pflegekinder, die zu dem Urteil führten, hat uns tief betroffen gemacht. Wir wissen, dass hier die Ursache des Leidens der Kinder darin liegt, dass der Staat mit seinen zuständigen Organen – nämlich den Jugendämtern - seinem im Grundgesetz verankerten Wächteramt in keinster Weise nachkam. Wir können die Klarheit des Urteils nur begrüßen: Jugendämter, die sich nicht um das Wohlergehen der Kinder kümmern, haften für entstehenden Schaden.

Wir wissen, dass sich landauf und landab viele Pflegeeltern tagtäglich bemühen, Kindern eine Heimat und Geborgenheit zu geben, die dies zuvor in ihren Herkunftsfamilien nie erlebt haben. Diese Pflegeeltern sind Tag und Nacht für die Kinder da und versuchen mit einem hohen Engagement die Schäden zu mildern, die die Kinder in der Vergangenheit erlitten haben. Das gravierende Fehlverhalten dieser Pflegeeltern kann durch nichts entschuldigt werden. Es ist aber gottseidank die große Ausnahme!

Was nicht die Ausnahme ist und was durch nichts zu entschuldigen ist, ist das Gerangel um die „Fallzuständigkeit“ der Jugendämter untereinander. Auch hier spricht das Urteil des Bundesgerichtshofes eine klare Sprache. Der örtliche Träger ist zuständig, in dessen Bezirk die Pflegeperson wohnt. Wie könnte dies auch anders sein? Wie kann ein Jugendamt in Bayern die Verantwortung für ein Kind tragen, das im Schwäbischen wohnt? Das geht einfach nicht! Nur eine Fallzuständigkeit, die an den Sozialraum des Kindes angegliedert ist, kann einmal die Pflegefamilie kompetent beraten und unterstützen, wie das im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert ist und auch das Wächteramt des Staates zum Schutze der Kinder ausüben.

Dieser Fall zeigt zweierlei auf: Das Wächteramt des Staates wird vielfach verpönt als ein Relikt aus vergangenen Zeiten und die notwendige Funktion zum Schutze von Kindern wird durch „moderne“ Dienstleistungsideologien abgetan. Die Dienstleistung ist wichtig, aber auch die Schutzfunktion der vielfach verpönten „Kontrolle“.

Der zweite Punkt, der bei diesem sich tragisch entwickelten Fall gezeigt hat ist, dass die Diskussion um die Sonderzuständigkeit für die Vollzeitpflegekinder überfällig ist. Gerade in den letzten Wochen und Monaten war die Diskussion in den Fachkreisen über die Abschaffung der Sonderzuständigkeit für die Vollzeitpflegekinder heftig und kontrovers geführt worden. Im jetzigen Gesetzestext steht, dass die Zuständigkeit für ein Pflegekind in den ersten zwei Jahren nach der Unterbringung in der Pflegefamilie an den Wohnort der Herkunftseltern gekoppelt ist und dass diese Zuständigkeit für den Fall, dass das Kind in der Pflegefamilie seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, auf den Wohnort der Pflegefamilie übergeht.

Im vorliegenden Fall wurde offensichtlich nie geklärt, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. Es ist mit großer Sicherheit anzunehmen, dass dieser leider nicht in der Pflegefamilie gefunden wurde. Das Gesetz schreibt zwingend vor, dass geklärt werden muss, wo das Kind eine auf Dauer angelegte Lebensperspektive hat. Dies hat offensichtlich in diesem Fall das abgebende Jugendamt versäumt, sonst hätte es gar nicht um den Kampf der beiden Ämter um die Zuständigkeit kommen können. Das abgebende Jugendamt hat das neue Jugendamt nach Aktenlage erst nach 6 Monaten über den Zuzug der Familie informiert, was nach unserer Einschätzung schon eine schwere Amtsverletzung darstellt. Dass dann jedoch zwischen den zwei Ämtern ein Streit von knapp drei Jahren entstand, wer sich nun denn von beiden um die Kinder kümmern muss, halten wir für eine schwere Amtspflichtverletzung und eine Ignoranz dem Schicksal von Kindern gegenüber.

Wir werden uns mit allem Nachdruck an die politisch Verantwortlichen – nicht zuletzt an den Gesetzgeber - wenden, damit sich ähnliche Kinderschicksale nicht wiederholen werden. Die Zuständigkeit muss klar geregelt sein! Es geht gar nicht anders – das Jugendamt, in dessen Bezirk das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat- ist zuständig. Das Jugendamt hat auch aufgrund seines im Grundgesetz verankerten Wächteramtes und aufgrund seines im Kinder- und Jugendhilferecht festgelegten Beratungs- und Unterstützungsauftrages genügend Fachpersonal vorzuhalten, um seine Aufgabe verantwortungsbewusst durchführen zu können.

Wir hoffen, dass die klare Sprache des Bundesgerichtshofes auch den Gesetzgeber zu der notwendigen Klärung veranlassen wird. Beratung und Unterstützung für Pflegekinder finden Pflegeeltern unter www.Pflegeelternschule-Bawue.de

Prof. August Huber (9. Nov. 2004)
1. Vorsitzender

s.a. Bundesgerichtshof zur Haftung des Jugendamts bei Mißhandlung von Pflegekindern durch Pflegeltern
s.a.
Auswirkungen einer ersatzlosen Streichung des § 86 Abs. 6 KJHG
s.a.
Stellungnahme des PFAD Bundesverbandes zum Tagesbetreuungsausbaugesetz - Gesetzentwurf der Bundesregierung

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken