Amtsgericht Kiel 53 F 186/99, Beschluss vom 11.4.2002
Das 1992 geborene Mädchen lebte seit 1996 in der Pflegefamilie. Sie zeigte in der Folgezeit eine auffällige Abneigung, mit dem Vater in Umgangskontakte zu treten. Dem Herausgabebegehren des Kindesvaters trat die Pflegefamilie mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verbleibensanordnung entgegen. Wie beantragt, erließ das Amtsgericht Kiel am 8. September 1999 eine Verbleibensanordnung gem. 1632 Abs. 4 BGB. Es waren eindeutig schützenswerte Bindungen innerhalb der Pflegefamilie entstanden.
Das Verhalten des Kindes gegenüber dem Vater legte den Verdacht „schwerwiegender Vorkommnisse“ in der Herkunftsfamilie nahe. Die zum Beginn des Pflegeverhältnisses tätig gewordene Kurzzeit-Pflegefamilie hatte den Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegenüber dem Jugendamt geäußert. Das Jugendamt hatte jedoch die insoweit vorliegenden Informationen nicht an das Gericht weitergegeben. Das Gericht hatte das Jugendamt aufgefordert, die Jugendamtsakte zur Verfügung zu stellen. Dies wurde vom Jugendamt unter Hinweis auf Datenschutzgründe verweigert. Das Gericht erließ daraufhin einen Erzwingungsbeschluss, sodass das Jugendamt unter Strafandrohung gezwungen wurde, die Akte der Gutachterin zur Verfügung zu stellen. Durch Studium einerseits und Exploration der Beteiligten, insbesondere des Kindes andererseits kam die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn es in der Pflegefamilie verbleibt und der Umgang ausgeschlossen wird.
Sowohl der Verfahrenspfleger als auch die vom Gericht beauftragte Sachverständige erkannten die massive Ablehnung der Tochter gegenüber dem Vater als einen im Rahmen der Kindeswohlprüfung zu berücksichtigen Faktor. Die Ursache für die Ablehnung wird in den Vorkommnissen der ehemaligen Familie des Vaters vermutet, aber auch mit negativen Erfahrungen während der Besuchskontakte, die seit ihrem Aufenthalt bei der Pflegemutter stattfanden. Das Gericht stellt dar, dass der klare und feste Wille eines elfjährigen Kindes nicht übergangen werden könne. In dieser Lage könne der Vater die elterliche Sorge für seine Tochter nicht mehr zu ihrem Wohl ausüben. Daher müsse ihm die elterliche Sorge entzogen werden.
Um Klarheit im Familienverbund zu schaffen, sei die Vormundschaft insgesamt der Pflegemutter zu übertragen.
Der Umgang sei auszuschließen, da der Vater jeden Kontakt mit der Tochter dazu nutze, seinen „Anspruch“ auf seine Tochter geltend zu machen. Dies erfahre das Kind jedes Mal neu als Bedrohung ihrer neuen Familie. Daher widersprechen Besuchskontakte derzeit dem Wohl des Kindes. Eine dauerhafte Untersagung jeglicher Kontakte stünde jedoch im Widerspruch zu dem grundsätzlich geschützten Elternrecht des Vaters. Das Gericht sei der Ansicht, dass frühestens nach Ablauf weiterer zwei Jahre – wenn der Vater bis dahin die Bindung seiner Tochter an die Pflegemutter akzeptiere – an die Anbahnung neuer Kontakte gedacht werden könne, z.B. eingeleitet durch Briefe oder dergleichen. Bis dahin sei eine Kontaktaufnahme dem Vater untersagt. Dadurch soll für das Kind die für ihre weitere Entwicklung erforderliche Bindungssicherheit erlangt werden.
Peter Hoffmann, Rechtsanwalt Fachanwalt für Familienrecht
s.a. http://www.rechtsanwalthoffmann.com
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