FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2005

 



Rosemarie Erwerth-Scholl, Katharina Sutter,
Astrid Doukkani-Bördner, Ines Kurek-Bender /
PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. (Hg.)

Umgangskontakte von Pflegekindern
mit ihren Herkunftsfamilien

Frankfurt, 2005
(44 Seiten, 1 Euro)

 


Der Anspruch der vorliegenden Publikation wird folgendermaßen formuliert:
Die Broschüre will betroffenen Familien und Fachkräften der Jugendhilfe Leitlinien an die Hand geben, die es ihnen erleichtern, mit der Umgangsfrage einhergehende Probleme zu meistern und zu sinnvollen Lösungen im Einzelfall zu gelangen.“ (S. 7)

Die Schrittfolge der Untersuchung zeigt das Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Einführung
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Entwicklungspsychologische und pädagogische Grundlagen
3. Die Bedeutung für Pflegekinder
4. Die Bedeutung für Pflegeeltern
5. Die Bedeutung für Herkunftsfamilie
6. Die Rolle der Fachkräfte
7. Unbegleiteter Umgang
8. Umgangskontakte im Beisein der Pflegeeltern
9. Begleiteter Umgang
10. Ausschluss von Umgang
11. Vereinbarungen im Hilfeplan
12. Wortlaut der angesprochenen Gesetze
Ausgewählte Literatur

Gleich in der Einleitung wird der Leser mit einem verwirrenden Widerspruch konfrontiert. Dort heißt es: „Man ist sich in der fachlichen Diskussion darüber einig, dass Kindern der Umgang mit den leiblichen Eltern nicht verwehrt werden darf.“ Wenige Zeilen weiter ist dann zu lesen: „Speziell bei schwer traumatisierten Kindern geht man davon aus, dass ein Ausschluss von Umgangskontakten die Regel sein sollte und nur nach ganz streng gefassten Voraussetzungen deren Wiederaufnahme gegebenenfalls in Frage kommen kann.“ (S. 5)

In Kapitel 1 werden als rechtliche Rahmenbedingungen die Artikel 2 und 6 Grundgesetz (GG), die Paragrafen 1626, 1684 und 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die Paragrafen 18 und 37 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII, KJHG) kurz erläutert. Dann folgen Hinweise auf das Gesetz über Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Der Wortlaut der Gesetze findet sich im Anhang (Kapitel 12). Zu Artikel 6 Grundgesetz heißt es: „Auch Pflegeeltern können sich auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Pflegefamilie berufen. In Konfliktfällen hat allerdings die Stellung der leiblichen Eltern Vorrang.“ (S. 8) Der wichtige Hinweis darauf, dass in Konfliktfällen zwischen Elternrecht und Kindeswohl letzterem der Vorrang einzuräumen ist, fehlt an dieser Stelle. (vgl. z.B. Salgo, Kurek-Bender).

Im dann folgenden Kapitel werden entwicklungspsychologische und pädagogische Grundlagen benannt. Voraussetzung für eine positive Entwicklung des Kindes sei die Befriedigung der kindlichen Grundbedürfnisse. Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch subsumieren die Autorinnen unter dem Begriff der Traumatisierung. Sie warnen vor den daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten, langanhaltenden Entwicklungsstörungen und Retraumatisierungsrisiken: „Der Schutz des Kindes erfordert daher das Vermeiden vorhersehbarer Situationen, die eine Retraumatisierung wahrscheinlich machen.“ (S. 12) Die Theorien, denen wir diese Erkenntnisse zu verdanken haben, werden leider nicht genannt, nämlich die psychoanalytische Ich-Psychologie (insbes. René Spitz und Anna Freud), die Bindungslehre (John Bowlby) und die neuropsychologische Traumatheorie (insbes. Bessel van der Kolk).

In den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 wird die förderliche Wirkung von Umgangskontakten hervorgehoben. „Vielfach verlaufen Umgangskontakte bei Pflegeverhältnissen unproblematisch.“ (S. 17) Zur Lösung von Spannungen und Konflikten zwischen Pflegeeltern und Herkunftsfamilie wird empfohlen, dass diese „....unter Einbeziehung der Fachkräfte des Jugendamtes zwischen den Erwachsenen geregelt werden [sollten]....“ (S.18) In der PFAD-Studie wurde das Gegenteil herausgestellt. Außerdem bleibt außer Acht, dass vordergründig unproblematisch verlaufende Besuchskontakte dennoch schädlich wirken können, weil sie Illusionen sowie falsche Hoffnungen erzeugen können und vor allen Dingen die für ihre Heilung notwendige Entwicklung der Bindungen zu den Pflegeeltern gefährden.

In den Kapiteln 7, 8 und 9 werden die verschiedenen Möglichkeiten der Umgangsgestaltung vorgestellt und Anregungen zu deren Indikation gegeben. Wiederholt wird die von Nienstedt und Westermann überzeugend hervorgehobene Differenzierung zwischen Bindung und pathogener Angstbindung versäumt. Ein Beispiel: „Handelt es sich um befristete Vollzeitpflege, kann sich die Einigkeit der jeweiligen Elternpaare über das Ziel der Umgangskontakte, nämlich dem Kind die Aufrechterhaltung seiner Bindungen und gegebenenfalls eine möglichst konfliktarme Wiedereingliederung in die Herkunftsfamilie zu ermöglichen, im Zusammensein aller Beteiligten ausdrücken.“ (S. 22) Gesunde Bindungen zu den Herkunftseltern sind selten, und die Aufrechterhaltung traumatisierender Bindungen bei traumatiserten Kindern darf wohl keinesfalls das Ziel sein.

In Kapitel 10 wird dann auch als Indikation für den Ausschluss von Umgang Traumatisierung in Form von sexuellem Missbrauch, schwerer Gewalttätigkeit und/oder schwerer Vernachlässigung gefordert.

Die dann folgende „Checkliste“ für Vereinbarungen im Hilfeplan zeigt eine Fülle von konstruktiven Möglichkeiten der Umgangsgestaltung auf.

Wie in der vorangegangenen Broschüre fehlen auch in diesem Text die Hinweise auf die einschlägige Fachliteratur. Wichtige Texte, beispielsweise der Autoren Zenz oder Salgo, fehlen ganz.

Sieht man von diesen formalen und den oben genannten inhaltlichen Mängeln ab, enthält die Broschüre eine Vielzahl von hilfreichen Impulsen für die Praxis und wichtigen Anregungen für künftige wissenschaftliche Forschung.

Christoph Malter (Feb., 2005)

 

s.a. Umfrage unter Pflegeeltern zu ihren Erfahrungen zum Umgang von Pflegekindern mit deren Herkunftsfamilie

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