FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Artikel / Jahrgang 2006

 

Vernachlässigter Kinderschutz für vernachlässigte Kinder

Prof. Dr. Kurt Eberhard

(Vortrag für die Gilde Soziale Arbeit am 26. 5. 2006 in Bielefeld)

 

Die gesellschaftlichen und staatlichen Kinderschutzaktivitäten sind vielfältig, aber, wie die Vernachlässigungsskandale demonstrieren, offensichtlich unzureichend. Ein Sonderbereich dieser Aktivitäten ist das Pflegekinderwesen. Aus diesem Bereich kommen wir. Von einem kompetenten Überblick über den gesamten Kinderschutz bin ich weit entfernt. Um unseren Blickwinkel zu kennzeichnen, muß ich Sie vorab über unsere Kinderschutzarbeit informieren.

Zuerst waren wir - meine Frau und ich - in der Heimerziehung tätig und nun leiten wir seit 26 Jahren das Therapeutische Programm für Pflegekinder (TPP) der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP) (vgl. Eberhard und Eberhard, 2001). Alle unsere Pflegekinder wurden in ihren Familien vernachlässigt, mißhandelt und/oder mißbraucht. Ihre Unterbringung in Pflegefamilien diente also u.a. ihrem Schutz. Das TPP versucht, die Vorteile von Pflege- und Heimerziehung zu verbinden und deren Nachteile zu vermeiden. Die Kinder des TPP kommen mit tiefgreifenden psychosozialen Störungen und – wie die Ergebnisse der modernen neuropsychologischen Traumaforschung vermuten lassen – auch mit beträchtlichen hirnorganischen Schäden zu uns.

Meist kommen sie um Jahre zu spät. Bei keinem Kind hatten wir den Eindruck, daß es zu früh herausgenommen war. Die Differenz zwischen eigentlich indiziertem und tatsächlich gewähltem Unerbringungszeitpunkt hat in den letzten Jahren noch deutlich zugenommen. Darin liegt ein sehr bedenklicher Verstoß gegen die von allen Seiten geforderte Berücksichtigung der kindlichen Zeitperspektive (z.B. Maywald, 2000, Salgo, 2002, Zenz, 2002). Dieser Verstoß gegen das Kindeswohl resultiert überwiegend aus dem sogenannten Dienstleistungscharakter des KJHG. Viele Jugendämter glauben, erst eine Reihe ambulanter Jugendhilfemaßnahmen praktizieren zu sollen, bevor sie mit einer Herausnahme reagieren – auch dann, wenn deren Erfolglosigkeit bereits erwiesen oder vorhersehbar ist. Rückblickend kann man dann jeweils konstatieren, daß damit das Leiden des betroffenen Kindes verlängert und seine biopsychosozialen Defekte vertieft wurden.

Die Pflegeeltern stehen dadurch vor kaum noch lösbaren therapeutischen Aufgaben, die zusätzlich erheblich erschwert werden, wenn Jugendämter sie zu Umgangskontakten mit den traumatisierenden Eltern drängen, unabhängig davon, ob dadurch das Kindeswohl gefährdet wird. Vielfach berufen jene sich dann auf das in § 1684 BGB kodifizierte Umgangsrecht der Eltern, ohne zu berücksichtigen, daß derselbe Paragraph dem Kindeswohl eindeutig Vorrang einräumt, wenn dieses durch den Umgang gefährdet wird. Auch viele Richter folgen dem gesetzlich vorgegebenen Vorrang des Kindeswohls nicht, weil sie vom Jugendamt nicht ausreichend über die Gefährdungen informiert werden oder sich darüber hinwegsetzen. Auf die ebenso problematischen Folgen übereilter Rückführungen haben kürzlich Kindler, Lillig und Küfner hingewiesen.

Aus eigenen Erfahrungen im Pflegekinderwesen und als Gerichtsgutachter, aus den Erfahrungen, die in der BAG-KiAP zusammenlaufen, aus Erfahrungsberichten von Jugendamtsklienten, die wir in unserer Internetzeitschrift publizieren, aus der Teilnahme an Kommunikationszirkeln im Internet und aus Presseverlautbarungen können wir als meistbeklagte Fehler vieler Jugendämter folgende benennen:

  • Überbetonung der Bedürfnisse und Rechte der Eltern statt der vorrangigen Schutzbedürfnisse der traumatisierten Kinder;
  • Zu langes Vertrauen auf ambulante Maßnahmen statt rechtzeitigen Reagierens, wenn diese ihr Ziel nicht erreichen;
  • Vorauseilende Unterwerfung unter kindeswohlwidrige richterliche Beschlußpraxis statt immer wieder neuer Versuche kindeswohlentsprechender Argumentation;
  • Einseitige Auslegung des § 1684 BGB zugunsten des Umgangsrechts statt zugunsten des Kindeswohls;
  • Grundsätzliche Ausrichtung an bestimmten wissenschaftlichen Ideologien (z.B. an einer dogmatisch verengten Systemtheorie) statt fallorientierter Nutzung aller wissenschaftlich belegten empirischen Befunde;
  • Programmatische Festlegung auf das Ergänzungsfamilien-Modell statt gleichgewichtiger Orientierung am empirisch besser belegten Ersatzfamilien-Modell;
  • Prinzipielle Favorisierung der Rückkehroption statt gleichgewichtiger Option langfristiger Planungssicherheit und einer Beheimatungsperspektive in der Pflegefamilie;
  • Realitätsfremde Orientierung an Sozialisations- statt an Therapiezielen.

Da man den Mitarbeitern solcher Jugendämter weder Unwilligkeit noch Unfähigkeit anlasten kann, stellt sich die Frage, wie es zu diesen weitverbreiteten Vernachlässigungen der Vernachlässigten kommen konnte. 

Unsere Überlegungen dazu haben wir in dem Aufsatz »Das Kindeswohl auf dem Altar des Elternrechts« referiert und zu folgenden sozialhistorischen Thesen zugespitzt:
 

Thesen aus unseren Erfahrungen mit dem staatlichen Kinderschutz

= Sieben Sünden gegen das Kindeswohl =

1. In den siebziger Jahren begann die Rechtsprechung, die im JWG kodifizierten Interventionsmöglichkeiten des Jugendamtes gegen verwahrlosende Eltern in Frage zu stellen und schließlich als verfassungswidrig zu erklären.

2. Der Gesetzgeber verschärfte diesen Trend durch ersatzlose Streichung des § 64 JWG (Fürsorgeerziehung wegen Verwahrlosung oder drohender Verwahrlosung) und durch weitere Stärkung des Elternrechts (§ 1666a BGB).

3. Der im KJHG betonte Dienstleistungscharakter ermutigt die Jugendämter, die Pflichten des staatlichen Wächteramts nachrangig zu behandeln bzw. zu vernachlässigen (anbietende Jugendhilfe statt aufsuchende Säuglings- und Familienfürsorge).

4. Der Mythos der ambulanten Hilfen wird auch dort gesungen, wo alle Erfahrung dagegenspricht, nämlich in den vernachlässigenden, mißhandelnden und mißbrauchenden Familien.

5. Die Privatisierung der Heime und ambulanten Hilfen fuhrt zu einem rücksichtslosen Konkurrenzkampf um die traumatisierten Kinder, statt sie rechtzeitig in angemessen betreute Pflegefamilien zu geben.

6. Eine ökonomisch motivierte und dementsprechend ideologisierende statt sorgfältig forschende Sozialpädagogik produziert ständig neue Begriffe, Theorien und Methoden, ohne sie in der Praxis empirisch zu überprüfen.

7. Die in den vernachlässigenden, mißhandelnden und mißbrauchenden Familien festsitzenden Kinder haben keine Lobby, wohl aber ihre traumatisierenden Eltern, denn sie sind die Klienten der kommerzialisierten Jugendhilfe.


Parallel dazu sammelten wir systematisch Presseartikel über Vernachlässigungsfälle, bei denen der Kinderschutz – vorwerfbar oder nicht – offensichtlich versagt hatte (Malter, Eberhard, Eberhard, 2001). Diese Sammlung und unsere Insider-Erfahrungen motivierten uns, zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien (BAG-KiAP) und der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes Experten aus Wissenschaft und Praxis zu einer Konferenz einzuladen mit dem Ziel, Forderungen zur Verbesserung des Kinderschutzes zu formulieren und mit Hilfe der Medien an Legislative, Exekutive und Judikative zu richten. Ergebnis waren die »Holzmindener Kinderschutz-Forderungen«, die hier zusammen mit der Liste der Erstunterzeichner noch einmal mitgeteilt werden sollen:
 


Forderungen zur Verbesserung des Kinderschutzes

 

Alarmiert von den zahlreichen Traumatisierungs- und Todesfällen durch Vernachlässigung, Mißhandlung und Mißbrauch trafen sich am 3. 9. 2005 in Holzminden 24 Experten verschiedener Fachrichtungen, um zu diskutieren, wie Kinder in Zukunft besser geschützt werden können. Einladende waren die »Stiftung zum Wohl des Pflegekindes«, die »BAG für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien« und die »AG für Sozialberatung und Psychotherapie«. Das wichtigste Resultat waren die Stellungnahmen  der Teilnehmer zu dreißig kinderschutzpolitischen Positionen.

Folgende Forderungen resultierten aus den ermittelten Konsensen:

  • Der Vorrang des Kindeswohls vor dem Elternrecht muß vom Gesetzgeber deutlicher formuliert werden.
  • Der Kinderschutz muß gesetzlich stärker abgesichert werden, evtl. durch ein eigenständiges Kinderschutzgesetz.
  • Die Jugendämter und Familiengerichte sollten bei der Abwägung zwischen Kindeswohl und Elternrecht die Bedeutung tiefgreifender seelischer Traumatisierungen stärker beachten.
  • Wenn ein Kind von den Eltern vernachlässigt, mißhandelt oder mißbraucht wurde und sie nach Beratung ihr Fehlverhalten fortsetzen, ist ihnen das Sorgerecht unverzüglich zu entziehen.
  • Wenn wegen fortgesetzter Vernachlässigung, Mißhandlung oder Mißbrauch die Herausnahme des Kindes indiziert ist, sollte sie zügiger als bisher üblich durchgeführt werden.
  • Kinder, die wegen Vernachlässigung, Mißhandlung oder Mißbrauch in Familien oder Heimen untergebracht wurden, sollten nur nach gründlicher Risikoabschätzung Kontakte zu ihren Herkunftseltern unterhalten.
  • Kinder, die sich gegen Umgangskontakte zur Wehr setzen, dürfen dazu nicht gezwungen werden.
  • Die Rückführung von Heim- und Pflegkindern in die Herkunftsfamilie sollte nur nach sorgfältiger fachkundiger Überprüfung der damit verbundenen Risiken vorgenommen werden.
  • Als Regelfall muß ein dauerhafter Verbleib in Pflege- und Erziehungsstellenfamilien nach Ablauf des in § 37 KJHG bezeichneten Zeitraums rechtlich abgesichert werden; nach Ablauf dieses Zeitraums kann eine Rückführung nur noch als Ausnahmefall in Betracht kommen.
  • Pflege- und Erziehungsstelleneltern müssen in sorgerechtlichen und umgangsrechtlichen Verfahren, die ihr Pflegekind betreffen, den Beteiligtenstatus und ein eigenständiges Beschwerderecht erhalten.
  • Die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen sollten obligatorisch sein.
  • Die Verträge für Dauerpflegeverhältnisse sollten langfristig abgeschlossen werden und Planungssicherheit gewährleisten.
  • Über die Auswirkungen der Rückführungen von Pflege- und Heimkindern in ihre Herkunftsfamilien sollten wissenschaftlich qualifizierte Untersuchungen durchgeführt werden.
  • Die gerichtlichen Sorgerechtsverfahren sind unter Berücksichtigung kindlicher Zeitperspektiven und Bindungsbedürfnisse so zu befristen und zu beschleunigen, daß den Kindern keine zusätzlichen physischen und psychischen Schädigungen zugefügt werden.

 

Erstunterzeichner

  1. Dr. med. Lutz Besser, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jug.psychiatrie, Ausbildungsleiter des Zentrums für Psychotraumatologie und Traumatherapie Hannover
  2. Prof. Dr. Katharina Braun, Verhaltensbiologin, Hochschullehrerin f. Entwicklungsneurobiologie in der Guericke-Univ. Magdeburg
  3. Priv.-Doz. Dr. med. habil. Karl Heinz Brisch, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie, Lehranalytiker, Oberarzt und Ltr. der Abt. für Pädiatr. Psychosomatik und Psychotherapie im Haunerschen Kinderspital der Univ. München
  4. Prof. Dr. Herbert E. Colla, Erziehungswiss., Hochschullehrer für Sozialpädagogik, Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaften an der Universität Lüneburg
  5. Dr. Marion Damerius, Dipl.- Lehrerin, Familientherapeutin und Beraterin im Verein zur Förderung des Pflegekinderwesens in Mecklenburg-Vorpommern
  6. Dr. Dieter Deppe-Hilgenberg, Jurist, Vors. Richter am Oberlandesgericht Naumburg
  7. Priv.-Doz. Dr. Martin Dornes, Dipl.Soziologe, Mitgl. des Instituts für Sozialforschung und des Psychoanalytischen Instituts in Frankfurt
  8. Soz.päd. grad. Gudrun Eberhard, Juristin, Leiterin des Therapeutischen Programms für Pflegekinder der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)
  9. Prof. Dr. Kurt Eberhard, Psychotherapeut, Vors. der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP), Herausgeber der Internetzeitschrift 'Forum'
  10. Prof. Dr. Ulrich Egle, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Gutenberg-Universität Mainz
  11. Dipl.-Lehrerin Angelika Eichhorn, Sozialarb. in einem Berliner Pflegekinderdienst
  12. Dipl.-Sozialarb. Jürgen Ertmer, Ltr. des Bereichs Hilfen zur Erziehung der Stadtverwaltung Herten, Kurat.mitgl. der Stift. zum Wohl des Pflegekindes, Pflegevater
  13. Dipl.-Psych. Oliver Hardenberg, Psychotherapeut, Supervisor, Gerichtsgutachter in Münster
  14. Prof. Dr. Klaus Hartmann, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie,  Lehranalytiker, Träger des Hermann-Emminghaus-Preises
  15. Prof. Dr. Dr. h .c. Bernhard Hassenstein, Verhaltensbiol., em. Hochullehrer der Univ. Freiburg
  16. Helma Hassenstein, Lehrerin, Gründerin des Programms 'Mutter und Kind - Hilfe für alleinerziehende Mütter in Baden-Württemberg'
  17. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Theodor Hellbrügge, Internationale Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation und Vors. der Theodor-Hellbrügge-Stiftung, Träger des Bundesverdienstkreuzes
  18. RA Peter Hoffmann, Fachanwalt für Familienrecht und für Arbeitsrecht
  19. Dipl.-Soz.arb. Henrike Hopp, Gesch.führ. von PAN - Pflege- und Adopt.familien in NRW e.V., Vors. der BAG f. Kinder in Adoptiv- und Pfl.fam., Kurat.mitgl. d. Stift. z. Wohl des Pflegekindes
  20. Prof. August Huber, Vors. der Pflegeelternschule Baden-Württemberg, eh. Hochschullehrer an der Hochschule für Sozialwesen in Esslingen, Pflegevater
  21. Prof. Dr. Gerald Hüther, Facharzt für Psychiatrie,  Ltr. der Abt. f. neurobiol. Grdl.forschung in der Univ.-klinik Göttingen,
  22. Sigrid Katsaras-Kölling, Juristin, Vors. des Friedrichsstifts und der Karla-Reitemeier-Stiftung
  23. Prof. Dr. Köckeritz, Psychologin, Hochschullehrerin in der Fachhochschule Esslingen, Dekanin des Fachbereichs Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege
  24. Dipl.-Psych. Susanne Lambeck, Klin. Psychologin und Psychotherapeutin, Betreuung von Eltern Frühgeborener und Risikokindern, Beratung von Pflege- und Adoptivfamilien
  25. Dipl.-Sozialarb. Christoph Malter, stellvertr. Vors. der BAG für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien, ltd. Redakteur der Internetzeitschrift 'Forum', Pflegevater
  26. Prof. Dr. Uta McDonald-Schlichting, eh. Hochschullehrerin in Entwicklungspsychologie, Gutachterin in Familienrechtssachen
  27. Claudia Marquardt, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Pflegekinderwesen, Kurat.mitgl. in der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  28. Dr. Monika Nienstedt, Psychologin in der Psychol. Praxis der Gesellsch. für soziale Arbeit in Münster, Kurat.mitgl. in der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  29. Dipl.-Päd. Hildegard Niestroj, Beraterin für Pflegefamilien mit traumat. Kindern, Mitarb. im Projekt 'Anwalt des Kindes' in der Univ. Frankfurt, Verfahrenspflegerin
  30. Dipl.-Sozialarb. Stefan Ottmann, Leiter eines Jugendamtes
  31. Dipl.-Sozialarb. Angela Reineke, Gesch.führ. der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  32. Dr. med. Johannes Rupp, Arzt, Vors. des LV der Pflege- und Adoptivfamilien Rheinland-Pfalz, Pflegevater
  33. Prof. Dr. Ludwig Salgo, Jurist, Hochschullehrer an der Fachhochschule und der Goethe-Universität Frankfurt, Kurat.mitgl. in der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  34. Prof. Dr. Peter Schuett, Dipl.Päd. und Dipl.-Psych., Familientherapeut, Hochschullehrer für Erziehungswiss. in der FH Mittweida
  35. Dr. Reinhard Schunke, Ministerialdir. im Ministerium für Gesundheit und Soziales, Sachsen-Anhalt, Kurat.mtgl. in der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  36. Prof. Dr. Hans-Ludwig Spohr, Facharzt für Pädiatrie, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin im DRK-Krankenhaus Berlin-Westend
  37. Dr. Ulrich Stiebel, Unternehmer, Vors. der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  38. Inge Stiebel, Unternehmerin, stellvertr. Vors. der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  39. Prof. Konrad Stolz, Jurist, Vormundschafts- und Familienrichter a.D., Hochschullehrer für Jugend- Familien- und Betreuungsrecht an der HS für Sozialwesen in Esslingen
  40. Dr. Annette Streeck-Fischer, Fachärztin für Kinder- und Jug.psychiatrie, Psychoanalytikerin,  Chefärztin im Landeskrankenhaus Tiefenbrunn, Lehrbeauftragte an der Universität Göttingen
  41. Dipl.-Sozialarb. Annette Tenhumberg, Mitarbeiterin in einem Pflegekinderdienst
  42. Dr. Armin Westermann, Psychologe in der Psychol. Praxis der Gesellsch. für soziale Arbeit in Münster, Kurat.mitgl. in der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes
  43. Dr. paed. habil. Ingrid Woelfel, Psychologin, Supervisorin, Lehrtätigkeit an versch. Hochschulen, Vors. des Vereins zur Förd. des Pflegekinderwesens in MV, stellvertr. Vors. der Europ. Akademie  in MV und der Gilde Soziale Arbeit
  44. Ricarda Wilhelm, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht
  45. Prof. Dr. Dr. h.c. Gisela Zenz, Juristin, Psychoanalytikerin, Hochschullehrerin der Goethe-Universität Frankfurt, Kurat.mitgl. der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes
  46. Prof. Dr. Maud Zitelmann, Erzieherin, Dipl.-Pädagogin, Hochschullehrerin für Sozialpädagogik in der Universität Osnabrück, Wiss. Beirat der BAG Verfahrenspflegschaft
  47. Dipl.-Sozialarb. Paula Zwernemann, Ref. im Pflegekinderbereich und f. Beistände, Vorst.mitgl. in der Pflegeelternschule Stuttgart, ehem. Ltr. eines Pflegekinderdienstes, Pflegemutter

 

 

Solche Initiativen und die Berichte in den Medien führten u.a. zur Novellierung des SGB VIII, insbesondere zur Einfügung des § 8a. Dieser Paragraph ist noch ziemlich weit von unseren Forderungen entfernt, aber er stellt das Wächteramt der Jugendbehörden klar und schreibt immerhin rahmenhaft vor, welche Schritte im Einzelfall zu gehen sind (vgl. Wiesner, Schindler, Schmid, 2006). Gleich im ersten Satz des ersten Absatzes heißt es:

 

Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrer Fachkräfte abzuschätzen.

 

Hier wird also vorgegeben, daß die psychosoziale Situationsdiagnose kollektiv zu erfolgen habe. Das entspricht genau unseren Erfahrungen im TPP. Dort werden alle psychosozialen Diagnosen kollektiv erarbeitet und zwar im Rahmen der abduktionslogisch geläuterten Aktionsforschung. Unter Aktionsforschung verstehen wir denjenigen Erkenntnisweg, der die im Wissenschaftsbetrieb übliche Trennung von Forschung und Praxis aufhebt und auf dem die Beteiligten die gemeinsamen Probleme im Rahmen kollektiver Reflexionen (sog. Diskurse) analysieren und zu problembezogenen phänomenalen, kausalen und aktionalen Hypothesen gelangen, die ihre Glaubwürdigkeit aus bestimmten erkenntnisförderlichen Gesprächsformen (z.B. 'Herrschaftsfreiheit', 'Begründungspflicht', 'intellektuelle Offenheit', 'emotionale Akzeptierung') sowie aus der kritisch beobachteten Praxis beziehen (eine genauere Darstellung der Aktionsforschung und ihrer erkenntnistheoretischen Herleitung aus der Abduktionslogik s. Eberhard 1999, S. 51 ff und S. 120 ff.)

Aktionsforschungs-Diskurse in den Jugendämtern müßten nach den dortigen Aufgaben und Bedingungen gestaltet werden, aus erkenntnistheoretischer Sicht scheinen sie jedenfalls unvermeidlich, wenn man Glaubwürdigkeit und Validität der diagnostischen Arbeit erreichen will (vgl. Eberhard, 1990).

 

L i t e r a t u r :

Eberhard, K.:  Eine erkenntnistheoretische Antwort auf die Glaubwürdigkeitskrise der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. In Arch. f. Wiss. u. Prax. der soz. Arb. H 1, 1990

Eberhard. K.: Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. (2. Aufl.) Stuttgart, 1999

Eberhard, G., Eberhard, K.: Das Intensivpädagogische Programm - ein Aktionsforschungsprojekt für psychisch traumatisierte Kinder und Jugendliche in sozialpädagogisch und psychotherapeutisch betreuten Pflegefamilien. (2. Aufl.) Idstein, 2002

Eberhard, K., Eberhard, I., Malter, C.: Das Kindeswohl auf dem Altar des Elternrechts. In Sozial-Extra, H 2, 2001

Malter, C., Eberhard, G., Eberhard, K.: Bilanz zu unserer Pressedokumentation über Vernachlässigungs- und Jugendamtsskandale. In Forum auf www.agsp.de, 2001

Kindler, H., Lillig, S., Küfner, M.: Rückführung von Pflegekindern nach Mißhandlung bzw. Vernachlässigung in der Vorgeschichte – Forschungsübersicht zu Entscheidungskriterien. In JAmt, H 1, 2006

Maywald, J.: Die Position des Kindes stärken – Konsequenzen der Bindungsforschung für die Arbeit mit Pflege- und Adoptivkindern. In Forum auf www.agsp.de, 2000

Salgo, L.: Pflege- und Adoptivfamilien aus der Perspektive der Rechtswissenschaft. In Pfad, H 2, 2002

Wiesner, R., Schindler, G., Schmid, H.: Das neue Kinder- und Jugendhilferecht. Köln, 2006

Zenz, G.: Pflege- und Adoptivfamilien – Entwicklungspsychologische Einblicke. In Forum auf www.agsp.de, 2002

 

veröffentlicht in: gilde rundbrief der Gilde Soziale Arbeit, 2006, Heft 2
s.a.
http://www.gilde-rundbrief.de

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