FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Entwurf
(Stand: 11. 02. 2004)
Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung
in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer
Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)
(AV-Pflege)

SenBildJugSport – III C 11 -
Tel. 9026-5572 intern (926) 5572

 

Vorbemerkung: Hier finden Sie den vom Verein ‘Pflegeeltern für Pflegekinder’ herbeigeschafften, aber vom Berliner Jugendsenator noch nicht offiziell veröffentlichten neuesten Entwurf der AV-Pflege mit einer Stellungnahme der Rechtsanwältin Gudrun Eberhard von der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP).
Christoph Malter (8. März 2004)

 

Auf Grund von § 56 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) in der Fassung vom 27. April 2001 (GVBl. S. 134) wird nach Anhörung des Landesjugendhilfeausschusses bestimmt:

1. Rechtsgrundlage und Geltungsbereich

(1) Diese Verwaltungsvorschriften regeln die Vermittlung, Unterbringung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie die Leistungen für den Unterhalt, einschließlich der Kosten der Erziehung des Kindes oder Jugendlichen bei Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege auf Grund von § 33 SGB VIII (im Folgenden Vollzeitpflege).

(2) Darüber hinaus finden die Regelungen dieser Verwaltungsvorschriften, soweit dies jeweils gesondert bestimmt ist oder es sich um die Regelungen in Absätzen 2 bis 4; Nr. 2 Absatz 3, 6, 9; Nr. 3; Nr. 4 Absatz 1, 2 und 4; Nr. 6 Absätzen 3 bis 6 sowie um die Nummern 8, 9, 10, 11 und 13 handelt auf die teilstationäre Familienpflege im Sinne von § 32 Satz 2 SGB VIII (im Folgenden teilstationäre Familienpflege) entsprechend Anwendung. Diese Hilfe stellt eine besondere Form der Erziehung in einer Tagesgruppe dar. Hierbei erfolgt die Leistung tagsüber in einem familiären Verband. Sie richtet sich dabei primär an Kinder und Jugendliche, bei denen aber den allgemeinen Erziehungshilfebedarf hinaus erhebliche Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen, ggf. im Zusammenhang mit einer Behinderung, vorliegen.

(3) Diese Verwaltungsvorschriften regeln nicht Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII.

(4) Nach § 79 SGB VIII hat das Land Berlin als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für die Verfügbarkeit dieser Hilfe einschließlich Planungsverantwortung und Gewährleistungsverpflichtung. Die Jugendämter können anerkannte Träger der freien Jugendhilfe bezogen auf Vermittlung, Prüfung, Betreuung, Qualifizierung und Akquisition von Pflegestellen beteiligen. Zur Wahrnehmung von Aufgaben durch anerkannte Träger der freien Jugendhilfe wird durch das Jugendamt mit diesen ein Vertrag geschlossen.

(5) Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport kann Vorgaben für Qualitätsentwicklung und Verträge über die Betreuung und Werbung von Pflegestellen und die Qualifikation der Erziehungsperson erstellen. Diese Vorgaben werden durch Rundschreiben bekannt gemacht und sind in geeigneter Weise durch die Jugendämter Dritten gegenüber verbindlich zu machen (Aufnahme in den Vertrag mit dem Träger der freien Jugendhilfe nach Absatz 4 und in den Pflegevertrag).

(6) Anspruchsberechtigte sind die Sorgeberechtigten, wenn der erzieherische Bedarf gegeben und sich Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege oder teilstationärer Familienpflege im Rahmen der Hilfeplanung als geeignet und notwendig erweist.

2. Vollzeitpflege

(1) Vollzeitpflege umfasst die Unterbringung, Erziehung und Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen in einem familiären Lebenszusammenhang außerhalb der Herkunftsfamilie. In Abgrenzung zu Erziehungsstellen nach § 34 SGB VIII werden Vollzeitpflege und teilstationäre Familienpflege von Erziehungspersonen und ihrer Familie auf privater Ebene geleistet und nicht durch pädagogische Fachkräfte auf institutioneller Ebene (mit Trägeranbindung) erbracht.

(2) Vollzeitpflege ist bestimmt für Kinder und Jugendliche, bei denen die Erziehung in ihrer Herkunftsfamilie vorübergehend oder dauerhaft nicht ausreichend gewährleistet ist und andere Arten der Hilfe zur Erziehung nicht geeignet sind. Für diese Form der Hilfe zur Erziehung kommen Kinder und Jugendliche in Betracht, für deren Entwicklung das Leben in einem familiären Lebenszusammenhang geeignet und förderlich ist. Auch für Kinder und Jugendliche mit einem erweiterten Förderbedarf aufgrund von besonderen Erziehungsschwierigkeiten, Störungen oder Behinderungen ist diese Hilfeart als die im Einzelfall geeignete Maßnahme zu prüfen. Besondere Merkmale sind verlässliche Bezugspersonen in einem überschaubaren und kontinuierlichen Familienverband. Die enge personale elternähnliche Beziehung zwischen Kind und Erziehungsperson und die daraus resultierende Bindungsdynamik unterscheidet die Vollzeitpflege von anderen Formen der Fremdunterbringung und ist deshalb insbesondere für jüngere Kinder anzustreben.

(3) Ziel dieser Hilfe zur Erziehung ist die soziale Integration des in seiner Entwicklung beeinträchtigten Pflegekindes in einen familiären Rahmen. die Förderung der kindlichen Entwicklung sowie die Sicherung der Beziehungskontinuität zu seiner Herkunftsfamilie unter Berücksichtigung seines individuellen Hilfebedarfs.

(4) Die Hilfe zur Erziehung in einer Vollzeitpflegefamilie soll das Aufwachsen in einer familialen Lebensform bei befristetem oder langfristigem Ausfall der Herkunftsfamilie gewährleisten. Sie wird beendet bei Rückkehr in die Herkunftsfamilie, bei Einsetzen einer anderen Jugendhilfeleistung bzw. bei Verselbständigung des jungen Menschen.

(5) Die Fortsetzung der Hilfe nach §§ 33, 41 SGB VIII bei Eintritt der Volljährigkeit bedarf der besonderen Prüfung und entsprechenden Hilfeplanung.

(6) Das Jugendamt legt im Hilfeplan - zusammen mit allen Beteiligten – Inhalt, Umfang und Dauer der notwendigen Leistungen sowie die Intervalle der Hilfeplanüberprüfung grundsätzlich halbjährlich bis jährlich (ausgenommen die befristete Vollzeitpflege) fest. Die mit der Hilfe kurz-, mittel- und langfristig angestrebten Ziele und die damit verbundene Zeitdauer werden im Hilfeplan aufgenommen.

Auch bei kurzfristigen Maßnahmen soll nach Möglichkeit eine angemessene Hilfeplanung entsprechend den Zielen des § 36 SGB VIII durchgeführt werden.

(7) Die Begleitung des Hilfeprozesses erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der Rückkehrmöglichkeit des Kindes oder Jugendlichen in seine Herkunftsfamilie innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens bezogen auf den Entwicklungsstand des Kindes und die Entwicklungsmöglichkeit der Herkunftsfamilie. Wird im Verlauf des Entscheidungsprozesses schon frühzeitig erkennbar, dass eine Rückkehr des Kindes auszuschließen ist, muss die Sicherung des dauerhaften Lebensortes im Vordergrund stehen.

(8) Die Förderung des Kontaktes zu den Herkunftseltern ist Bestandteil der Hilfe unabhängig davon, ob die Hilfe in Vollzettpflege auf eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie oder einen Verbleib in der Pflegefamilie zielt. Herkunftseltern sind, soweit es das Kindeswohl zulässt, in den Entwicklungsprozess einzubinden.

(9) Die Beratung und Unterstützung der Herkunftsfamilie sowie die Begleitung und Beratung der Erziehungsperson/Pflegefamilie werden im Hilfeplan dokumentiert und auf der Grundlage des Hilfeplans sichergestellt.
Vereinbarungen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern/Herkunftsfamilie sowie Absprachen zu Häufigkeit und Ausgestaltung von Besuchskontakten sind im Interesse einer positiven Entwicklung des Kindes zu treffen.

3. Eignung der Erziehungsperson (Pflegefamilie)

(1) Als Pflegestellen kommen unterschiedliche Familienformen in Betracht. Dazu zählen auch unverheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Paare und Alleinstehende. Bei der Hilfeplenung sind das Alter, der Entwicklungsstand, die aktuelle Lebenssituation, die emotional-sozialen Bindungen des Kindes oder Jugendlichen und die voraussichtliche Dauer der Unterbringung zu bewerten. Die Erziehungsperson, die ein ausländisches Pflegekind aufnehmen will, muss der jeweiligen kulturellen Prägung gegenüber aufgeschlossen sein.

(2) Die Erziehungsperson versorgt das Kind oder den Jugendlichen in seinen Grundbedürfnissen unter Berücksichtigung des individuellen Entwicklungsbedarfs. Sie stabilisiert und fördert das Selbsthilfepotenzial des Kindes oder Jugendlichen sowie seine geistige und körperliche Entwicklung. Sie fördert seine schulische und soziale Integration. Im Rahmen ihrer Betreuung sichert die Erziehungsperson die entwicklungsfördernde Beziehungskontinuität zwischen Kind und Herkunftsfamilie. Für diese Leistungen stellt sie einen ausreichenden Zeitrahmen für die Grundversorgung und Betreuung des Kindes/Jugendlichen zur Verfügung.

(3) Grundlegende Anforderungen umfassen insbesondere:

  • Erzieherische Kompetenz und Erfahrung,
  • Beziehungs- und Bindungsfähigkeit,
  • Reflexionsfähigkeit,
  • Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Erziehungsauftrages,
  • stabile familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse,
  • Strukturiertheit (innere und äußere Arbeitsorganisation, Integrationsfähigkeit, Fähigkeit zu Vorsorge).
  • Die Anforderungen an die Erziehungsleistung sind im Übrigen dem „Leitfaden zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen bei Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)" der jeweiligen Fassung zu entnehmen, der bei Änderungen jeweils aktualisiert durch Rundschreiben bekannt gemacht wird.
  • (4) Auch bei Partnerschaften, in die das Kind aufgenommen werden soll, ist grundsätzlich eine Person als verantwortliche Erziehungsperson zu benennen. Die Erziehungsperson, die erstmalig ein Kind in Vollzeitpflege aufnimmt, hat eine Qualifikation durch Teilnahme an einer Pflegeelternschulung zu erwerben. Näheres ist im Rundschreiben Nr. 1 „Rahmenplan zur Grundqualifikation: Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)“ geregelt. Darüber hinaus hat sich die Erziehungsperson zu verpflichten, auf Basis der im Hilfeplan getroffenen Vereinbarungen, regelmäßig an Fortbildung und begleitender Beratung teilzunehmen.

    (5) In einer Vollzeitpflegefamilie sollen nicht mehr als drei Pflegekinder betreut werden. Abweichendes ist nur im Einzelfall zuzulassen, wenn auf andere Weise die notwendigen pädagogischen Zielsetzungen nicht erfüllt werden können (die Hilfeplanung hat insbesondere den Zusammenhalt von Geschwisterkindern zu berücksichtigen).

    (6) Mischformen mit Erziehungsstellen nach § 34 SGB VIII sind nicht zulässig.

    (7) Die Erziehungsperson muss über ausreichenden Wohnraum verfügen. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Erziehungsperson/Pflegeeltern muss gewährleisten, dass diese für Ihren Lebensunterhalt nicht auf Leistungen angewiesen sind, die für den Lebensbedarf des Kindes oder Jugendlichen bestimmt sind.

    (8) Eine Teilzeitbeschäftigung der Erziehungsperson ist grundsätzlich möglich. Der Umfang der Erwerbstätigkeit ist im Übrigen mit den Erziehungszielen des Hilfeplans abzustimmen.

    (9) Pflegeverhältnisse sind in der Regel so zu vermitteln, dass sie zur Vollendung des 63. Lebensjahres der Erziehungsperson beendet sind.

    4. Vollzeitpflege bei erweitertem Förderbedarf

    (1) An die Erziehungsleistung der Erziehungsperson können auf Grund eines erweiterten Förderbedarf des Kindes auch erweiterte Anforderungen gestellt sein. Dieser - ggf. zeitlich begrenzte - erweiterte Förderbedarf ist auf Basis der Diagnostik im Rahmen der Hilfeplanung zu bestimmen.

    (2) Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf des Kindes/Jugendlichen ist dann gegeben, wenn besondere, über den allgemeinen Erziehungshilfebedarf hinausgehende Anforderungen auf Grund erheblicher Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsbeeinträchtigungen, ggf. in Zusammenhang mit einer Behinderung, vorliegen. Die Feststellung oder der Nachweis einer (drohenden) Behinderung bzw. Pflegebedürftigkeit gemäß § 35 a SGB VIII, § 39 BSHG (§ 54 SGB XII ab Inkrafttreten) , § 15 SGB XI oder eines Schwerbehindertenausweises begründet allein nicht einen erweiterten Förderbedarf.

    (3) Die Erziehungsperson unterstützt und fördert die Entwicklung des Pflegekindes und gewährleistet im Rahmen der Hilfeplanung ggf. die Einleitung und Unterstützung notwendiger besonderer pädagogischer und ggf. psychologischer/therapeutischer Hilfen für das Kind.

    (4) Im Falle eines erweiterten Förderbedarfs sind erweiterte Anforderungen an die Erziehungsleistung gestellt. Daher sind ausgeprägte persönliche und soziale Kompetenzen der Erziehungsperson erforderlich. Die erweiterten Anforderungen an die Erziehungsperson über die in Nummer 3 beschriebenen Kompetenzen hinaus umfassen zur Bewältigung dieser Erziehungsleistung:

    • Empathiefähigkeit,
    • besondere Belastbarkeit,
    • erhöhte Reflexionsfähigkeit,
    • Kooperations- und Lernbereitschaft.
  • (5) Die erweiterten Anforderungen an die Erziehungsleistung sind im Übrigen dem „Leitfaden zur Ermittlung des erweiterten Förderbedarfs bei Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)“ zu entnehmen, der bei Änderungen jeweils aktualisiert durch Rundschreiben bekannt gemacht wird. Er ist Grundlage für Hilfeplanung und Diagnostik.
  • (6) In einer Pflegefamilie kann in der Regel ein Kind mit erweitertem Förderbedarf untergebracht werden, in begründeten Ausnahmefällen kann hiervon gemäß Hilfeplanentscheidung abgewichen werden. Geschwister von Pflegekindern sind vorrangig einzubeziehen.

    5. Befristete Vollzeitpflege

    (1) Die befristete Vollzeitpflegestelle ist für Pflegekinder vorgesehen. deren Erziehung und Betreuung für einen überschaubaren Zeitraum von der Herkunftsfamilie nicht sicher gestellt werden kann, über deren Rückkehr aber aufgrund der vorliegenden familiären Situation innerhalb eines kürzeren Zeitraums entschieden werden muss. Ziel ist die Sicherung der Erziehung und Versorgung des Kindes bei gleichzeitigem Erhalt des sozialen Umfeldes und des Kontaktes zur Herkunftsfamilie.

    (2) Vor der Unterbringung eines Kindes in einer befristeten Vollzeitpflegestelle ist zu prüfen, ob nicht vorrangig eine Hilfe nach § 38 SGB V (Haushaltshilfe) oder nach  § 20 SGB VIII (Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen) in Betracht kommt.

    (3) Die befristete Vollzeitpflege ist grundsätzlich auf 6 Monate zu begrenzen. Eine Verlängerung ist nur im begründeten Ausnahmefall zulässig.

    (4) Die befristete Vollzeitpflegestelle umfasst grundsätzlich nur ein entsprechendes Pflegekind. Ausnahmen, auch unter Berücksichtigung von Geschwistern. sind im Rahmen der Hilfeplanung zu entscheiden.

    (5) Die Erziehungsperson gewährleistet größtmöglichen Kontakt zur Herkunftsfamilie, soweit dies nicht dem Kindeswohl widerspricht und unterstützt den Erhalt des sozialen Umfeldes. Sie muss in der Lage sein, Kinder in belastenden Lebenssituation im Spannungsfeld zwischen Bindung und Trennung stützend zu begleiten. Die zu erwartende Rückkehr erfordert in der Regel engen Kontakt zur Herkunftsfamilie, ggf. Begleitung des Kindes bei der Wiedereingliederung in seine Familie oder die Unterstützung bei einem Wechsel in eine dauerhafte Unterbringungsform. Auch Übernachtungen bei den Herkunftseltern bleiben in Abstimmung mit dem Jugendamt möglich, so dass auch eine Unterbringung für einzelne Tage in der Woche entsprechend der Hilfeplanung möglich ist.

    6. Örtliche Zuständigkeit

    (1) Bei Aufnahme eines Pflegekindes aus einem anderen Bundesland oder bei Unterbringung in einem anderen Bundesland sind die Regelungen der §§ 86 Abs. 1 bis 6 sowie der § 89 a SGB VIII zu berücksichtigen.

    (2) Bei Unterbringung eines Berliner Pflegekindes In Vollzeitpflege in einem der Berliner Bezirke findet der § 86 Abs. 6 SGB VIII keine Anwendung. Das nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII zuständige Jugendamt (Herkunftselternjugendamt) behält die Zuständigkeit für den gesamten Zeitraum der Unterbringung.

    (3) Das Jugendamt, in dessen Einzugsbereich sich die Pflegefamilie befindet (Pflegestellenjugendamt), kann die mit der Vermittlung, Prüfung, Betreuung und Qualifizierung der Pflegestelle zusammenhängenden Aufgaben übernehmen, sofern Kooperationsvereinbarungen zwischen Herkunftselternjugendamt und Pflegestellenjugendamt solches vorsehen. Dies gilt auch, wenn das Pflegestellenjugendamt hierzu eine Vereinbarung mit einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe abgeschlossen hat. Das Herkunftselternjugendamt hat dann entsprechend der Kooperationsvereinbarung die Kosten für den freien Träger zu übernehmen.

    (4) Die Unterbringung in einer Pflegestelle in einem anderen Bezirk erfolgt mit Einverständnis des Jugendamtes des Pflegestellenbezirks. Vor der Unterbringung in einer Pflegestelle in einem anderen Bezirk (Pflegestellenbezirk) ist mit dem Pflegestellenbezirk zu klären, ob dieser die Pflegestelle zur Gewährleistung des eigenen Bedarfs benötigt. Hierfür hat dieser ein auf einen Monat ab Zugang der schriftlichen Mitteilung befristetes Erstbelegungsrecht. Wird das Erstbelegungsrecht in Anspruch genommen, hat der Pflegestellenbezirk den anderen Bezirk von den für die Pflegestellenakquisition entstandenen Kosten für Leistungen von Dritter Seite freizustellen. In den Kooperationsverträgen nach Absatz 3 soll Näheres geregelt werden.

    (5) Die Prüfung der Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) trifft in jedem Falle das Herkunftselternjugendamt. Es ist Kostenträger und Gewährleistungsträger sowie verantwortlich insbesondere für:

    • Beratung der Personensorgeberechtigten und des Kindes/Jugendlichen,
    • Entscheidung über die notwendige und geeignete Hilfe einschließlich Prognose über die Hilfeperspektive im Rahmen der Hilfeplanung,
    • Ermittlung und Überprüfung des Förderbedarfs des Kindes oder Jugendlichen,
    • Feststellung des erweiterten Förderbedarfs (s. Anlage 2) in Verbindung mit dem Fachdiagnostischen Dienst des Herkunftselternjugendamtes, sofern nicht anderweitige Kooperationsvereinbarungen zwischen Herkunftselternjugendamt und Pflegestellenjugendamt getroffen sind,
    • Prüfung der Passfähigkeit von Kind/Jugendlichem und Erziehungsperson/Pflegefamilie in Kooperation mit dem Pflegestellenjugendamt,
    • Überprüfung der Pflegestelle (§ 37 Abs. 3 SGB VIII), sofern nicht Kooperationsvereinbarungen anderes vorsehen,
    • Eignung der Pflegestelle, sofern nicht Kooperationsvereinbarungen anderes vorsehen,
    • Abschluss der Pflegeverträge,
    • Beratung und Begleitung der Pflegefamilie auf der Grundlage der Hilfeplanung, ggf. unter Mitwirkung eines freien Trägers, sofern nicht Kooperationsvereinbarungen anderes vorsehen,
    • fachliche Begleitung des Hilfeprozesses in Abstimmung mit dem Pflegestellenbezirk,
    • Fortschreibung des Hilfeplans und seine regelmäßige Überprüfung,
    • Beendigung der Hilfe.
  • (6) Das Pflegestellenjugendamt ist zuständig für:
    • die Beteiligung an der Hilfeplanung des unterbringenden Jugendamtes,
    • die auf der Grundlage von Kooperationsvereinbarungen zwischen Herkunftselternjugendamt und Pflegestellenjugendamt übertragenen Aufgaben.
  • 7. Verfahren zur Feststellung eines erweiterten Förderbedarfs in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)
  • (1) Wird im Verlauf des Hilfeplanverfahrens bzw. im Verlauf eines bereits bestehenden Pflegeverhältnisses ein erweiterter Förderbedarf des Kindes oder Jugendlichen vermutet, ist von dem Jugendamt immer auch eine diagnostische Stellungnahme einzuholen. Auf die Einbeziehung der Sorgeberechtigten ist zu achten.

    (2) Bei Unterbringung in einem anderen Bezirk stimmt das Herkunftselternjugendamt mit dem Pflegestellenjugendamt ab, welcher bezirkliche fachdiagnostische Dienst (Erziehungs- und Familienberatungsstelle, Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst) mit der Stellungnahme zur Ermittlung bzw. Prüfung des erweiterten Förderbedarfs beauftragt werden soll. Grundlage der Förderbedarfsprüfung ist der „Leitfaden zur Ermittlung des erweiterten Förderbedarfs bei Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)“.

    (3) Die gutachterliche Stellungnahme wird innerhalb einer Frist von vier Wochen gewährleistet. Wird der Auftrag an einen externen Gutachter übergeben, bleibt der bezirkliche fachdiagnostische Dienst für die Einhaltung der vereinbarten Standards sowie für das gesamte Verfahren verantwortlich. Näheres ist im Rundschreiben Nr. 2 „Voraussetzungen und Verfahren für die Feststellung eines erweiterten Förderbedarfs in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII)“ geregelt.

    (4) Das Jugendamt legt zusammen mit allen Beteiligten im Hilfeplan Inhalt, Umfang und Dauer der notwendigen Leistungen sowie die Intervalle der Hilfeplanüberprüfung, ggf. mit Einbeziehung des fachdiagnostischen Dienstes, fest. Vor Ablauf des im Hilfeplan festgelegten Zeitrahmens ist rechtzeitig eine aktuelle fachdiagnostische Stellungnahme einzuholen. In begründeten Einzelfällen, wenn nach allen fachlichen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen in einem absehbaren Zeitraum zu erwarten sind, kann von der regelmäßigen gutachterlichen Überprüfung im Rahmen der Fortschreibung des Hilfeplans abgesehen werden. Diese Entscheidung wird im Hilfeplan dokumentiert.

    8. Prüfung der Eignung

    (1) Der - unter Beachtung von Kooperationsvereinbarungen - zuständige

    Fachdienst des Herkunftselternjugendamtes berät die Bewerberinnen, bespricht die Beweggründe, ein Kind oder einen Jugendlichen in Vollzeitpflege aufzunehmen, informiert über die grundlegenden Anforderungen, die an die Erziehungsleistung gestellt werden, und überprüft diese anhand des „Leitfadens zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen/Pflegeeltern in Vollleitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGBVIII)“.

    (2) Zur Vorbereitung insbesondere der Auswahl und Überprüfung von Pflegeelternbewerbern/-innen kann das Jugendamt einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe beauftragen.

    (3) Bereits erfolgte Prüfungen im Rahmen von Adoptionsvermittlung sind in die Prüfung der Eignung einzubeziehen. Auf die datenschutzrechtlich erforderlichen Einwilligungen der Betroffenen ist zu achten.

    (4) Für Pflegeverhältnisse unabdingbar sind ein Attest über die gesundheitliche Eignung der Erziehungsperson und weiterer Haushaltsangehöriger sowie ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis.

    9. Fachliche Unterstützung der Pflegefamilie

    (1) Das zuständige Jugendamt berät und unterstützt die Erziehungsperson/Pflegeeltern von der Vorbereitung bis zur Beendigung der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege; Kooperationsvereinbarungen zwischen Herkunftseltern und Pflegestellenjugendamt sind zu beachten. Die Beratung und Betreuung der Pflegefamilie sowie die Fortbildung der Erziehungsperson kann anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe übertragen werden. Die Unterstützung und Begleitung der Pflegefamilie umfassen insbesondere:

    • Regelmäßige aufsuchende Kontakte, Begleitung und Beratung der Pflegefamilie zu allen das Pflegeverhältnis betreffenden Fragen,
    • Unterstützung und fachliche Begleitung in der Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie, insbesondere bei der Gestaltung des Umgangs, in Konfliktsituationen und bei Gerichtsverfahren,
    • Begleitung und Beratung der Erziehungsperson im Hilfeplanprozess,
    • Unterstützung bei der Wahrnehmung regelmäßiger Fortbildungsangebote,
    • Initiierung und Unterstützung bzw. Moderation von Selbsthilfegruppen,
    • Klärung und Unterstützung in Krisensituationen in der Pflegefamilie,
    • Unterstützung bei der Überleitung des Pflegekindes in eine andere Pflegefamilie oder sonstige Vollzeitunterbringung bei kurzfristiger Beendigung des Pflegeverhältnisses.
  • 10. Pflegevertrag
  • (1) Das Herkunftselternjugendamt schließt auf der Grundlage der Hilfeplanentscheidung und vor Aufnahme eines Kindes in eine Pflegestelle den entsprechenden Pflegevertrag ab.

    (2) Im Pflegevertrag sind die Dauer des Pflegeverhältnisses, einschließlich der Bestimmungen zur Kündigung oder sonstigen Beendigung des Pflegevertrages, die Mitwirkung bei der Hilfeplanung und seiner Fortschreibung während der gesamten Dauer des Pflegeverhältnisses sowie die Verabredungen zum Umgang mit der Herkunftsfamilie und sonstiger Verpflichtungen der Pflegeeltern niederzulegen. Darüber hinaus wird in einer entsprechenden Vereinbarung mit den leiblichen Eltern der Umfang der Übertragung der Ausübung der Personensorge an die Erziehungsperson (Entscheidungs- und Vertretungsbefugnisse in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1688 BGB) geregelt. Diese Vereinbarung ist als Anlage dem Pflegevertrag beizufügen.

    (3) Im Pflegevertrag ist auf die jeweils maßgebliche Hilfeplanung einschließlich deren Fortschreibung als eine für die Leistungserbringung verbindliche Grundlage zu verweisen.

    (4) Die Kündigung bedarf der Schriftform. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist diese unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport kann Vordrucke für den Pflegevertrag und der Regelung der Vertretungsbefugnisse vorgeben.

    11. Leistungen zum notwendigen Unterhalt

    (1) Der notwendige Unterhalt für die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und teilstationärer Familienpflege wird auf Grundlage des § 39 SGB VIII gewährt. Er setzt sich zusammen aus der Pauschale für den Lebensunterhalt, aus Beihilfen sowie den Kosten der Erziehung.

    (2) Bei Unterbringungen im Laufe eines Monats sind die Leistungen zum notwendigen Unterhalt für den entsprechenden Teil des Monats zu zahlen.

    (3) Endet ein Pflegeverhältnis im Laufe eines Monats, so ist die Zahlung der materiellen Leistungen einzustellen: der anteilige Betrag für den Monat ist zu leisten.

    (4) Bei vorübergehender Abwesenheit des Kindes oder Jugendlichen von der Pflegestelle für längstens sechs Wochen (z.B. aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes, aber auch bei seinem vorübergehenden Fernbleiben) sind die Leistungen zum Unterhalt weiter zu gewähren. Bei Abwesenheit des Kindes über sechs Wochen wird für die Unterhaltspauschale der einfache des auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (SGB XII ab Inkrafttreten) für die jeweilige Altersstufe maßgebliche, aktuelle Regelsatz gezahlt. Die Abgeltung der Erziehungsleistung (Kosten der Erziehung) wird entsprechend der Hilfeplanung immer fortgesetzt.

    (5) Die Pflegeperson ist für Zwecke der begleitenden Beratung durch Übernahme der angemessenen Kosten zu unterstützen. Näheres über die Bemessung der angemessenen Kosten wird durch Rundschreiben bekannt gemacht.

    (6) Die Anrechnung von auf Grund des Familienleistungsausgleichs gewährten Leistungen bestimmt sich nach § 39 Abs. 6 SGB VIII. In entsprechender Weise sind Leistungen nach § 65 EStG anzurechnen, soweit diese der Erziehungsperson zufließen.

    11.1 Pauschale für den Lebensunterhalt des Kindes oder Jugendlichen

    (1) Mit der Pauschale zum Lebensunterhalt werden die Aufwendungen für Ernährung, Ergänzung von Bekleidung und Schuhwerk, Reinigung, Körper- und Gesundheitspflege, Hausrat, Mietanteil, Schulbedarf sowie Taschengeld. Fahrgelder, Spiel- und Beschäftigungsmaterial, Vereinsbeiträge, Haftpflichtversicherung abgegolten.

    (2) Die Pauschale zum Lebensunterhalt orientiert sich an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für Öffentliche und private Fürsorge für die Bemessung des monatlichen Pauschalbetrages bei Vollzeitpflege (§§ 39, 33 SGB VIII), Sie beträgt derzeit

    für die Altersstufe 1 (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres) - 406 EURO

    Altersstufe 2 (vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) - 465 EURO

    Altersstufe 3 (vom Beginn des 15. Lebensjahres an bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) - 564 EURO

    Die Anpassung der Pauschalen zum Lebensunterhalt werden durch Rundschreiben bekannt gegeben.

    (3) Bei Hilfe zur Erziehung in teilstationärer Familienpflege - bei einer täglichen Erziehungszeit von über 6 Stunden - beträgt die Pauschale für den Lebensunterhalt 70 vom Hundert der Lebensunterhaltsleistung der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. Bei einer täglichen Betreuungszeit von 4 bis 6 Stunden beträgt diese Pauschale 60 vom Hundert.

    (4) Die Pauschale für den Lebensunterhalt sowie die Beihilfen umfassen nicht einen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Dieser ist regelmäßig von anderen vorrangigen Leistungsträgern (insbesondere Krankenkassen, im Rahmen der Eingliederungshilfe bzw. auf Grundlage des Pflegeversicherungsgesetzes SGB XI) zu tragen.

    (5) Ändert sich die Pauschale für den Lebensunterhalt im Laufe eines Monats wegen Erreichens der Altersgrenze, so ist die veränderte Pauschale ab dem nachfolgenden Monat zu zahlen.

    11.2 Beihilfen bei Vollzeitpflege

    (1) Über die Pauschale zum Lebensunterhalt hinaus werden bei Vollzeitpflege Beihilfen gewährt. Sie richten sich in der Höhe nach dem jeweils aktuellen Katalog der Nebenkosten zu § 39 SGB VIII im Bereich der Hilfe zur Erziehung auf Basis der aktuellen Rahmenvereinbarung (§ 78 f SGB VIII). Näheres Wird durch Rundschreiben bekannt gemacht.

    (2) Die regelmäßigen Beihilfen umfassen die Leistungen für sonstige persönliche Ausstattung, Schulfahrten, Reisekostenzuschuss, Weihnachtsbeihilfe.

    (3) Über sonstige Beihilfen ist auf Antrag zu entscheiden. Diese können umfassen Erstausstattung, Bekleidung, Leistungen für Kinderwagen, Taufe, Konfirmation, Jugendweihe, Einschulung, Fahrrad, Fahrradkindersitz, Autokindersitz Mobiliar, Verselbständigungspauschale.

    11.3 Kosten der Erziehung

    (1) Die Abgeltung der Erziehungsleistung bezieht sich auf die Kosten der Erziehung. Sie setzt sich zusammen aus dem Sockelbetrag für die Vollzeitpflege und ggf. einem (möglicherweise zeitlich begrenzten) Zusatzbetrag bei erweitertem Förderbedarf des Kindes oder Jugendlichen in Höhe von 659 EURO monatlich. Der Sockelbetrag beträgt ab In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschriften 200 EURO monatlich, ab dem 01.01.2005 250 EURO monatlich und ab dem 01.01.2006 300 EURO monatlich.

    (2) Bei der befristeten Vollzeitpflege wird den erhöhten Anforderungen an die Erziehungsleistung durch einen Betrag in Höhe von 480 EURO monatlich (300 EURO Sockelbetrag zuzüglich 180 EURO Zusatzbetrag) Rechnung getragen.

    (3) Die Höhe der Abgeltung der Erziehungsleistung bei Hilfe zur Erziehung in teilstationärer Familienpflege beträgt 60 vom Hundert der Kosten der Erziehung der Vollzeitpflege, einschließlich erweiterter Förderbedarf.

    12. Übergangsregelung

    (1) Im Rahmen der Fortschreibung der Hilfeplanung werden durch das zuständige Jugendamt alle bei In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschriften bestehenden Pflegeverhältnisse (Altfälle) hinsichtlich des erzieherischen Bedarfs nach Art, Dauer und ggf. erweitertem Förderbedarf überprüft und angepasst. Der Pflegevertrag soll entsprechend der neuen Struktur modifiziert werden, soweit Absatz 3 dem nicht entgegensteht.

    (2) Nr. 6 Abs. 2 findet auf die Altfälle keine Anwendung, in denen die Zuständigkeit des Pflegestellenbezirks bereits bei Inkrafttreten dieser Verwaltungsvorschriften nach § 86 Abs. 6 SGB VIII gegeben war.

    (3) Bei allen bereits vor In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschriften bestehenden heilpädagogischen Pflegeverhältnissen mit ereitertem Förderbedarf kann zur Vermeidung von Härtefällen im Rahmen einer Einzelfallentscheidung auf Grundlage der Hilfeplanung das Erziehungsgeld bis zu einer Höhe des Betrages für den erweiterten Förderbedarf weiter gezahlt werden; die Entscheidung ist im Rahmen der Hilfeplanung regelmäßig zu überprüfen.

    (4) Diese Übergangsregelung endet für die jeweilige Pflegestelle spätestens bei Beendigung der Unterbringung in Vollzeitpflege oder teilstationärer Familienpflege, sofern nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt der Bedarf im Sinne des Absatzes 3 entfällt.

    (5) Im übrigen finden diese Verwaltungsvorschriften auch auf Altfälle Anwendung.

    13. Aufhebung anderer Verwaltungsvorschriften

    Die Familienpflegegeldvorschriften vom 2. Juni 1994 (ABl. S. 2410), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 19. November 2002 (ABl. S.4782), werden aufgehoben, soweit in diesen nicht die Tagespflege im Sinne des § 23 SGB VIII betroffen ist. Für diesen Bereich finden die Verwaltungsvorschriften unverändert Anwendung.

    14. Inkrafttreten

    Diese Verwaltungsvorschriften treten am 1. April 2004 in Kraft.

    Klaus Böger
    Senator für Bildung, Jugend und Sport

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    Stellungnahme zum Entwurf der Ausführungsvorschriften

    über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)

    (Stand 11. 2. 2004)

      von Rechtsanwältin Soz.-Päd. grad G. Eberhard, AGSP

    Die massiven Proteste von Pflegeeltern und Experten sowie die Mobilisierung der Öffentlichkeit durch Berichte in den Medien führten zu einer intensiven Diskussion der geplanten AV-Pflege und zahlreichen Überarbeitungsforderungen in der 35. Sitzung des Jugendausschusses im Abgeordnetenhaus. Unter dem Druck der Argumente versprach der Jugendsenator, die AV noch einmal überarbeiten zu lassen und für die bestehenden Heilpädagogischen Pflegeverhältnisse Bestandsschutz zu gewährleisten: „Diejenigen Pflegestellen, die jetzt heilpädagogisch zu fördernde Kinder haben, behalten das, was sie haben!“

    Der nun vorliegende Entwurf vom Februar ist das Ergebnis dieser nochmaligen Überarbeitung. Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß sich im Grundtenor nichts geändert hat. Das vor der Verfassung nicht vertretbare Übergewicht der Elternrechte gegenüber dem Kindeswohl blieb durchgängig erhalten. Nicht einmal die völlig unsinnige Festschreibung von Besuchskontakten im Pflegevertrag wurde gestrichen. Änderungen gibt es bezüglich

    1. der Begutachtung zur Feststellung des erweiterten Förderbedarfes,
       
    2. der Höhe des Erziehungsgeldes bei erweitertem Förderbedarf,
       
    3. der Höhe des Erziehungsgeldes bei Kurzpflegestellen und
       
    4. der Übergangsregelung bezüglich sogenannter Härtefälle.

    zu 1.

    Mit der Begutachtung können nun auch externe Gutachter beauftragt werden, der bezirkliche fachdiagnostische Dienst bleibt jedoch für das gesamte Verfahren verantwortlich. Nach wie vor kann nur in begründeten Einzelfällen, wenn nach allen fachlichen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen in absehbarer Zeit zu erwarten sind, von regelmäßigen gutachterlichen Überprüfungen abgesehen werden. Die Belastungen und Stigmatisierungen für die Pflegekinder, das Fehlen jeglicher Planungssicherheit für die Pflegeeltern und die enormen Kosten für die Begutachtungen bleiben also erhalten.

    zu 2.

    Die Höhe des Erziehungsgeldes bei erweitertem Förderbedarf soll sich nun an den bisherigen Sätzen des heilpädagogischen Erziehungsgeldes orientieren. Diese zugesagte Erhöhung dient vielleicht der Beruhigung der aufgebrachten Öffentlichkeit, aber nur wenig den Interessen der Pflegeeltern. Diese müssen ihre Lebensplanung langfristig auf die Bedürfnisse des Pflegekindes einstellen können. Die Höhe des Erziehungsgeldes nützt wenig, wenn es ihnen jederzeit entzogen werden kann. Die Kriterien für die Zuerkennung des erweiterten Förderbedarfes sind nach bisherigen Aussagen so eng gefaßt, daß diese nach der Eingewöhnungsphase selten erfüllt werden. Was sollen die Pflegeeltern tun, wenn ihnen dann das erhöhte Pflegegeld entzogen wird? Den Pflegevertrag kündigen? Der Jugendsenator scheint ohne Skrupel darauf zu bauen, daß Pflegeeltern anders als professionelle Jugendhilfeträger dazu aus ethischen und emotionalen Gründen kaum in der Lage sind.

    zu 3.

    Die Erhöhung des Erziehungsgeldes für Kurzpflegestellen auf monatlich 480 Euro resultiert aus der realistischen Erkenntnis, daß niemand bereit wäre, für ein Erziehungsgeld von 200 Euro diese hochprofessionelle, sehr zeitaufwendige Tätigkeit zu übernehmen.

    zu 4.

    Von Herrn Bögers ausdrücklicher Zusage im Jugendausschuß des Abgeordnetenhauses, den sogenannten ‚Altfällen’ Bestandschutz zu sichern, ist nicht viel übrig geblieben. In der Übergangsregelung heißt es nach wie vor: „Im Rahmen der Fortschreibung der Hilfeplanung werden durch das zuständige Jugendamt alle bei In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschriften bestehenden Pflegeverhältnisse (Altfälle) hinsichtlich des erzieherischen Bedarfs nach Art, Dauer und ggf. erweitertem Förderbedarf überprüft und angepaßt. Der Pflegevertrag soll entsprechend der neuen Struktur modifiziert werden.“
    Neu ist lediglich der Einschub: „Bei allen bereits vor in Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschriften bestehenden heilpädagogischen Pflegeverhältnisse mit erweitertem Förderbedarf kann zur Vermeidung von Härtefällen im Rahmen einer Einzelfallentscheidung auf Grundlage der Hilfeplanung das Erziehungsgeld bis zu einer Höhe des Betrages für den erweiterten Förderbedarf weiter gezahlt werden; die Entscheidung ist im Rahmen der Hilfeplanung regelmäßig zu überprüfen.“

    Die ‚Altfälle’ können sich nun fragen: „Wer ist wie lange ein Härtefall? Wer vollzieht diesen Gnadenakt nach welchen Kriterien?“ In unserem Rechtsstaat sind bisher nicht einmal Sozialhilfeempfänger solchen unkalkulierbaren Gnadenentscheidungen ausgeliefert.

    Herr Böger behauptet nach wie vor in der Öffentlichkeit und gegenüber kritischen Nachfragen von Abgeordneten, daß der Bestandsschutz für die heilpädagogischen Pflegeeltern gewährleistet sei. In Anbetracht des jetzt vorliegenden Entwurfs kann dies nur als betrügerische Irreführung der Pflegeeltern, der Öffentlichkeit und der gewählten Volksvertreter gewertet werden.

    gez. Gudrun Eberhard

    s.a. AV-Entwurf vom 22.10.2002
    s.a.
    AV-Entwurf vom Nov. 2002
    s.a.
    AV-Entwurf (Feb. 2003)
    s.a.
    AV-Entwurf vom 27. Feb. 2003

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